Vor „heißem Herbst“
von Dieter Weirich

Sie feiert ihren 30.Geburtstag, die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler. Mit der Rekord-Neuverschuldung des Bundes tickt sie immer schneller, mit bislang 2.798 Euro rast sie jetzt mit 5094 Euro pro Sekunde in doppelter Geschwindigkeit. Ihre großen roten Ziffern dokumentieren nicht nur die neue Schulden-Lawine ,sondern auch die kostspielige Aufstockung der Sondervermögen, die weitere Schulden sind.
Auf 2510,5 Milliarden Euro beläuft sich die Staatsschuld, auf jeden Bürger entfallen 30,062 Euro, 669 Euro mehr als ein Jahr zuvor. Mit einem Plus von 35 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr beträgt die Schuld des Bundes 1732,7 Milliarden Euro.
Die Nettokreditaufnahme im Kernhaushalt macht 89,9 Milliarden Euro aus, in der gleichen Größenordnung erhöht sich die Schuldenlast für die Sondervermögen zur Stärkung des Militärs, der Infrastruktur und der Klimaneutralität. Die Sondervermögen geben der Regierung die Möglichkeit, an der Schuldenregel vorbei Kredite aufzunehmen, sind also nichts anderes als weitere Schulden.
Trotz der durch Grundgesetzänderungen geschaffenen neuen Spielräume tuen sich Finanzierungslücken auf. Um 172 Milliarden Euro muss das Kabinett in den nächsten Jahren die Ausgaben senken oder die Einnahmen erhöhen, um nicht gegen die Regeln der gelockerten Schuldenbremse zu verstossen.
Finanzminister Lars Klingbeil hat seine Kollegen zu mehr Sparsamkeit angehalten, doch von finanzpolitischer Bescheidenheit ist nichts zu spüren, die dringend notwendigen Strukturreformen wurden in Kommissionen ausgelagert. Bundeskanzler Merz kündigt einen „Reform-Herbst“ an, wahrscheinlicher ist ein „heißer Herbst“ um die Verteilung der Mittel zu erwarten.
Was ich vermisse, ist ein klarer, von einer zeitlichen Perspektive begleiteter Tilgungsplan zur Abtragung der Schulden nebst Zinsen. Eine mittelfristige Finanzplanung mit Umstellungen und Kürzungen statt neuer Schulden sind eigentlich ein Pflichtprogramm.
Schulden sind nur dann zu vertreten, wenn sie die Konsumausgaben auf allen staatlichen Ebenen nicht erhöhen. Das Ziel muss sein, zur verantwortbaren Grenze der Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Volkseinkommens zu gelangen.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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