Martyn Rady – Vom Rhein bis zu den Karpaten
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Martyn Rady: Vom Rhein bis zu den Karpaten

Das Sachbuch des Professors für Mittelalterliche Geschichte mit Schwerpunkt Osteuropa ist ein Rundumschlag durch die Geschichte der Region zwischen der heutigen französischen Ostgrenze bis zur Ukraine. Sein Spektrum reicht von der Antike bis zu den Diktatoren von heute. Aus Urkunden, zeitgenössischen Texten und Überlieferungen destilliert er die jeweiligen Motive der Beteiligten. Was steckt hinter den Ängsten, Fabeln, manchen Fake News wie phantasiereichen Stammbäumen der Herrscher und Bündnissen?
Mitteleuropa war mehrfach Zielgebiet von Invasionen aus dem Osten, seien es Goten, Awaren, Mongolen, Tataren, Kosaken um nur einige herauszugreifen. Sie veränderten teilweise Grenzen, beeinflussten das Siedlungsverhalten, hinterließen ihre Sprache oder assimilierten sich in der ansässigen Bevölkerung. Der Autor untersucht, welche Bedingungen dazu führten, dass Mitteleuropa ganz anders als z.B. Frankreich in unzählige Kleinfürstentümer zersplittert wurde. Zum Image vieler Herrscher gehörte, Gelehrte, Künstler, Ausnahmetalente anzuziehen, was zur Gründung zahlreicher Universitäten führte. Wie kam es dazu, dass aus Bauern, die man zunächst mit Vergünstigungen als Kolonisten in dünn besiedelte Regionen im Osten lockte, Generationen später Leibeigene wurden, während die Bauern im Westen vergleichsweise frei wirtschafteten? Erschütternd auch die Auswirkungen russischer Expansionsgier auf heute polnischem und ukrainischem Gebiet.
Wer sich fragt, wo die Konfliktursachen in Südosteuropa liegen, der wird in diesem Buch sehr detailreich fündig. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches wurden diverse Minderheiten mit unterschiedlichen Sprachen und Schriften in künstliche Staatengebilde gepresst, die den Keim zu späteren Konflikten beinhalteten bis hin zu „ethnischen Säuberungen“ . Das Habsburgerreich kämpfte erfolglos um Zusammenhalt und letztendlich wurzeln die Kriege auf dem Balkan dort. Genauso fesselnd schildert Rady auch das vorläufige Ende des Kommunismus für etliche Staaten. Auf unterhaltsame Weise spürt er nach, welche Spuren die Entscheidungen auch in der Kultur dieses Gebietes hinterließen.
Martyn Rady, geboren 1955, lehrte als Professor für Mitteleuropäische Geschichte am University College London, wo er den Masaryk-Lehrstuhl innehatte. Darüber hinaus trat er als Übersetzer und Herausgeber mittelalterlicher Texte hervor. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein viel gelobtes Buch «Die Habsburger. Aufstieg und Fall einer Weltmacht», über das der «Tagesspiegel» schrieb: «Ein Buch, das seinen Stoff wirkungsvoll verdichtet, Thesen und Zuspitzungen nicht scheut und vor allem eines ist: eine fesselnde Lektüre.»
- Verlag: Rowohlt Berlin
- Erscheinungstermin: 15.10.2024
- Lieferstatus: Verfügbar
- 688 Seiten
- ISBN: 978-3-7371-0136-3
- Autor: Martyn Rady
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