Autor Gisbert Kuhn

 Hat sich unter den Nachdenklichen hierzulande (von denen es ja immer noch ein paar geben soll) eigentlich wirklich jemand gewundert über die „Nachbereitung“ der Geschehnisse während der Silvesternacht im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs und der Domplatte? Nachdem sich unsere Gesellschaft und mit ihr natürlich auch die Politik (zu Recht) praktisch zwölf Monate lang darüber empört hatten, dass es ein Jahr zuvor zu diesen bis dahin unvorstellbaren, hauptsächlich von Nordafrikanern begangenen, Massenübergriffen auf Frauen kommen konnte, ist dieses Mal von staatlicher (also kommunaler und polizeilicher Seite) Vorkehrung gegen eine Wiederholung getroffen worden. Und, wie man weiß, mit Erfolg. Eigentlich hätte man also doch unisono Applaus aus der Öffentlichkeit erwarten können, weil sich der Staat als wehrhaft erwiesen und gezeigt hat, dass er einer seiner wichtigsten und vornehmsten Pflichten nachkommt – nämlich für den Schutz seiner Bürger zu sorgen.  Punktum.

Ein Sturm im Wasserglas

Wie gesagt, eine solche Reaktion wäre an sich normal gewesen. Aber doch nicht bei uns, nicht bei uns in Deutschland! Nicht in dem Land, in dem ganz offensichtlich in wachsender Zahl Bevölkerungsgruppen beschlossen haben, nicht mehr dem Fußball als Nationalsport zu huldigen, sondern der Aufregung und dem Aufgeregtsein. Um beim konkreten Beispiel zu bleiben: Für diese (angeblich um die Demokratie besorgten) Mitbürger stellt sich nicht in erster Linie die Frage, warum auch an diesem Silvesterabend wieder Nordafrikaner in Hundertschaften an die Kölner „Tatorte“ strömten. Sie entrüsteten sich vielmehr über die polizeiinterne Abkürzung „Nafris“ für Nordafrikanische Intensivtäter. So, als sei dieser Kurzbegriff die Ursache für die schon seit langem bestehenden Probleme mit (nicht selten illegal) hier lebenden Zuwanderern, die sich einen Deut um die hiesigen Gesetze, Sitten, Gebräuche und die Verfassung scheren.

Im Grunde könnte sich der besonnene Zeitgenosse achselzuckend ab- und wichtigeren Themen zuwenden. Bis vor gar nicht so langer Zeit hätte man die Angelegenheit auch nur als einen Sturm im Wasserglas betrachtet. Indessen, seit der tsunamihaften Verbreitung der digitalen Medien ist das vorbei. Schon ein kurzer Blick in facebook und andere „soziale“ Errungenschaften zeigt, dass praktisch jeder dort gepostete Vorgang, jede noch so absurde Idee und Weltverschwörungs-Theorie sofort vieltausendfaches Echo auslöst. Jeder selbst ernannte Heilsbringer findet unverzüglich seine applaudierenden Jünger.

Sofort auf den Zug aufspringen!

Was  die Grünen-Chefin Simone Peter geritten hat, offensichtlich ohne jede Vorkenntnis der jüngsten Silvester-Vorgänge in Köln sofort ihre Empörung gegen den „rassistischen“ Begriff Nafris in die digitale Welt zu posaunen, lässt sich schwer begreifen. Inzwischen musste sie ja wieder kräftig zurückrudern – unter dem Druck ihrer Parteifreunde, die (gewiss nicht zu Unrecht) böse Folgen für das Abschneiden der einstigen Sonnenblumenkinder bei den bevorstehenden Wahlen voraussahen. Nicht ganz von der Hand zu weisen scheint jedoch auch der Verdacht zu sein, dass sie – ganz im Sinne der Mainstream-Digitalisten – einfach nur meinte, als „moderne“ Politikerin möglichst schnell auf einen bestimmten Zug aufspringen zu sollen. Und zwar ganz egal, auf welchen.

Dieser Vorgang ist sehr viel wichtiger als die politische Person Simone Peter. Denn er lässt deutlich Tendenzen erkennen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit während der nächsten Monate verfestigen und über uns hereinbrechen werden. In drei Bundesländern (Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) werden in diesem Jahr neue Landtage gewählt. Zudem steht im Herbst auch noch die Bundestagswahl an. Wahlzeiten sind immer Spannungszeiten. Sie sind es in diesem Jahr freilich noch sehr viel mehr. Der Massenzustrom von Flüchtlingen und Asylsuchenden hat die Stimmung im Land aufgewühlt und mit der (scheinbar einfache Lösungen anbietenden) „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine politische Sprengkraft ins deutsche Parteiengefüge gespült, gegen die alle hergebrachten semantischen und organisatorischen im Moment nichts ausrichten.

Roboter zur Massenbeeinflussung

In sämtlichen Parteizentralen wird darum auch schon seit längerem fieberhaft überlegt und diskutiert, mit welchen Themen und – nicht zuletzt – welchen Mitteln man die Wähler wohl am besten erreichen könnte. Und alle haben natürlich auch besonders aufmerksam auf die Wahlschlacht in den USA geschaut. Dort wurde erstmals  mit ordentlicher Aggressivität die Wirkung der so genannten „bots“ auf die Menschen getestet. Der Begriff leitet sich von „Ro b o t er“ ab. Das sind – einfach ausgedrückt – Computerprogramme, die automatisch in die „sozialen“ Netze massenhaft Meinungen, Kommentare und scheinbar saubere Fakten einspeisen. Und zwar in einer Weise, die den normalen Nutzer gar nicht auf die Idee kommen lässt, dass sich dahinter überhaupt keine realen Personen befinden, sondern vorprogrammierte Texte zur Massenbeeinflussung. Wie wirksam dieses Mittel ist, haben zudem in den vergangenen Monaten in großer Zahl und mit durchaus erkennbaren Resultaten russische Propaganda-Zentren mit Deutschland im Ziel erprobt.

Aufregende Zeiten, also, die uns bevor stehen. Und wundere sich bloß keiner, wenn der gute Ton der Zivilisation dabei noch mehr auf der Strecke bleibt als ohnehin schon. In einem Land, in dem die zynische These einer Sarah Wagenknecht nicht einmal mehr ein Grummeln auslöst, die beim Berliner Terroranschlag ermordeten Menschen seien auch „Merkels Tote“, sind die Barrieren gegen jedwede Unanständigkeit nicht mehr sehr hoch.

Gisbert Kuhn   

 

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