Rezension von Dr. Aide Rehbaum

Paula McLain. Lady Africa, 2015

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Paula McLain

Die Kindheit einer unangepassten Frau in einer dekadenten Gesellschaft, könnte der Untertitel sein, denn es handelt sich um eine Romanbiografie über eine weitgehend unbekannte Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts.

Der Klappentext führt etwas in die Irre. Zwar war Beryl Clutterbuck gesch. Purves gesch. Markham verh. Schumacher eine Flugpionierin, da sie den ersten Atlantikflug (einundzwanzig Stunden non stop) der Geschichte absolvierte, aber dieses Kapitel, weswegen mich das Buch interessierte, steht am Rande. In der Hauptsache geht es um ihre Vorreiterrolle als erste weibliche Pferdetrainerin, die von zahllosen Beziehungsgeschichten mal gefördert und mal gehemmt wird.

So richtige Sympathie für die Person Beryl kommt nicht auf. Ob es an der Autorin oder der Dargestellten selbst liegt, die die Ich-Erzählerin ist, lässt sich nicht entscheiden. Jedenfalls liegt dem Buch eine Autobiografie zugrunde, die während des Zweiten Weltkriegs wenig Aufmerksamkeit erlangte, umso mehr bei der zweiten Auflage in den 1980er Jahren.

Darum herum entfaltet sich das Porträt einer Kolonialgesellschaft von 1906 bis 1931, wie wir sie von Karen Blixen und Hemingway kennen. Beide Personen kannten Beryl persönlich, wie auch manche andere. Im Anhang werden die nicht fiktiven Protagonisten aufgezählt.

Mit Bildung hat sich diese Frau nicht lange aufgehalten. Nachdem ihre Mutter eines anderen Mannes und der Trostlosigkeit im Busch wegen die Kolonie verlassen hat, wächst die kleine Tochter weitgehend ungebändigt mit dem Vater auf und in die Farmarbeit hinein. Als die Farm heruntergewirtschaftet ist, legt ihr der Vater eine Heirat mit einem ehemaligen Soldaten, dem Nachbarsfarmer, nahe.

LadyVon da an schliddert die junge Frau von einer Kalamität in die nächste. Bei der ersten Ehe erst siebzehn und vom Eheleben genauso ahnungslos wie ihr älterer Mann, lässt sie sich mit anderen Männern ein, ohne tiefergehendes Gefühl zu investieren. In dem überschaubaren Kreis der europäischen Residents, die munter „Bäumchen wechsel dich“ spielen, sorgt das ständig für Klatsch und Tratsch. Die Gesellschaft besteht vor allem aus nachgeborenen Aristokraten, die sich ins primitivere Leben stürzen. Sie brauchen den Nervenkitzel der Wildnis, um nicht vor Langeweile zu sterben.

Manche, wie der Vater Beryls, arbeiten hart in der Pferdezucht oder Landwirtschaft, was sie in Europa vermutlich nie freiwillig tun würden, andere konsumieren lediglich Drogen und Alkohol und Pferde sind ihre Unterhaltung. Dass sich die Farmerstochter mit ihrem einheimischen Spielgefährten einließe, wäre nun doch zu viel des Guten, aber sonst lässt sie nichts aus: Gönner, die ihr eine Abtreibung in London ermöglichen, verheiratete Männer, Freunde der Freundin, da gibt es kein Pardon und nur beiläufige Bedenken.

Dennoch kommt selbst bei den langen Passagen über Pferdetraining kaum Gefühl beim Leser an. Die Landschaft verkörpert Heimat und wird eingehend beschrieben. Dass die schon jemandem gehört, bevor die Engländer kamen, ist kaum einen Gedanken wert. Ihre Rebellion resultiert aus einer pubertären Einstellung, nicht weil sie eine Pionierin der Emanzipation wäre. Sie kann nichts anderes als Pferde trainieren, was sollte sie also sonst tun? Die Männer an ihrer Seite werden ohne seelischen Tiefgang und bindungsunfähig dargestellt, ob sie wirklich so waren oder Beryl Gefühle nicht wahrnehmen geschweige denn erwidern konnte?

Wer eine unterhaltsame, nicht besonders anspruchsvolle Urlaubslektüre sucht, sich für Pferde und Afrika interessiert, wird mit dem Buch gut bedient. Lobenswerterweise hat die Autorin ihre Quellen offengelegt

 

Paula McLain

Lady Africa

Übersetzt von Yasemin Dinçer
Gebunden mit Schutzumschlag, 464 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-351-03619-5

19,95 € *)

Inkl. 7% MwSt.

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