Krieg dem Papierkrieg
von Dieter Weirich

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod sind die nach ihm benannten Gesetze noch quicklebendig. Cyrill Northcote Parkinson, der britische Historiker und Publizist, hatte die Bürokratie als Grundübel moderner Staatsgestaltung gebrandmarkt und bei Fortsetzung der Regulierungswut geunkt, „Gott werde die nächste Sintflut nicht mit Wasser, sondern mit Papier veranstalten“. Schon die Raumfahrt-Ikone Wernher von Braun sah den Papierkrieg herausfordernder als die Überwindung der Schwerkraft.
Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, so entsteht Verwaltung, lautet eine der Polemiken gegenüber dem sich immer mehr ausbreitenden öffentlichen Dienst . Dabei hat die Politik die Flut von immer neuen Gesetzen zu verantworten. Dass die schwarz-rote Koalition die Staatsmodernisierung als zentrale Aufgabe erkannt hat, ist ein hoffnungsvolles Zeichen.
Mit dem Manager und Unternehmensberater Karsten Wildberger wurde ein Digital-Minister mit einer klaren Zielsetzung berufen. Bei erfolgreicher Umsetzung kann der aus der Wirtschaft kommende Macher zum Leuchtturm des Kabinetts werden. Er will 25 Prozent der Bürokratie einsparen, was eine Reduzierung von acht Prozent des Personals in der Bundestags-und Ministerialverwaltung bedeuten würde. Die Modernisierungs-Dividende wird mit 16 Milliarden Euro beziffert.
Eine Bürokratiebremse, bessere Rechtsetzung, bürgerfreundlicherer Service und eine effizientere Bundesverwaltung werden versprochen. Gesetze sollen so formuliert werden, dass sie von den Betroffenen verstanden werden. Viele Vorschriften sollen wegfallen, in einem digitalen Bürokratiemeldeportal können unsinnige oder überholte Regeln gemeldet werden.
Einen ersten Schritt auf seinem Marathonlauf zur Staatsmodernisierung hat Wildberger jüngst mit seinem „Entlastungskabinett“ genannten Programm getan. So gibt es ein zentrales Internetportal für Kfz-Anmeldungen, eine digitale Agentur zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte, Vereinfachungen im Bauvertragsrecht und Angebote zur komplett digitalen Abwicklung von Grundstücksgeschäften..
Wildberger braucht Unterstützung, denn er wird erbitterte Feinde bei der Durchsetzung seiner Pläne haben, nämlich Besitzstandsdenker und strukturkonservative Bedenkenträger.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.



