Kinotipp: Meinen Hass bekommt ihr nicht

Die tief bewegende wahre Geschichte einer Trauer, die durch einen Post weltweit Beachtung fand – ein sensibel gespielter und klug inszenierter Film, der zeigt, dass Liebe, die bleibt, keinen Raum für Hass zulässt.
Am 13. November 2015 verabschiedet sich Antoine von seiner Frau Hélène, die mit einem Freund ein Konzert besuchen will. Antoine passt auf den kleinen Sohn Melvil auf, liest ein bisschen, erwartet Hélènes Rückkehr. Aber die Frau, die er über alles liebt, kehrt nicht zurück. Denn sie ist eines der Opfer des Terroranschlags im Pariser Konzertsaal Bataclan. Für Antoine bricht seine ganze Welt zusammen. Eine Welt, die nun nur noch aus ihm und seinem Sohn besteht. Und in die der Terror eine Wunde geschlagen hat.

Der Filmemacher Kilian Riedhof erzählt in der deutsch-französisch-belgischen Koproduktion die Geschichte des Attentats auf Paris vom November 2015 aus der Sicht eines Hinterbliebenen. Der Journalist Antoine Leiris hatte nach der Schreckensnacht seine Gefühle in einem weltweit viral gehenden Facebook-Post und später in einem Buch verarbeitet. Riedhof und seine Co-Autor:innen Marc Blöbaum, Jan Braren und Stéphanie Kalfon nähern sich Antoines Schicksal langsam an und erzählen die Geschichte mit großer Ruhe. Auch die Kamera weiß mit diesem Tempo umzugehen. Die Bilder sind, auch mit ungewöhnlichen Einstellungen, nah an Antoine dran, verbreiten Ruhe und Nachdenklichkeit. Die Zuschauenden werden zu einer Art Trauerbegleiter und erleben, wie ein Witwer mit Kind sein Leben, seinen Alltag, seine Realität neu einordnet, nachdem er früher die Familie scheinbar nur als „Durchreisender“ erlebt hat. Pierre Deladonchamps verkörpert die Trauer Antoines sehr überzeugend und hält immer die Balance zwischen Verzweiflung und Pragmatismus. Denn auch die ganz rationalen und bürokratischen Aspekte einer Trauerbewältigung spart der Film nicht aus. Das Appartement, in welches Antoine nach und nach erst in seiner Rolle als Vater und Witwer hineinwächst, wird zu einem weiteren Protagonisten der Handlung und verkörpert authentisch die kokonhafte Abspaltung vom Rest der Welt, Immer wieder blitzen Erinnerungen an das Leben vor der Schreckensnacht auf, auch durch Gegenstände und Gerüche. Das von Antoine veröffentlichte Facebook-Statement gegen Hass und Angstmache durch den Terror setzt den dramatisch-berührenden Höhepunkt, doch der emotionale Anker der Geschichte ist Antoines mitreißend rührende Beziehung mit seinem Sohn, die selbst im Angesicht des Schreckens eine hoffnungsgebende Note setzt.
Basiert auf Antoine Leiris’ gleichnamiger Biografie aus dem Jahre 2016.
Ein bemerkenswert inszenatorisches Feingefühl für nationale Tragödien hat Regisseur Kilian Riedhof bereits mit seinen Filmen GLADBECK und DER FALL BARSCHEL bewiesen. Nun widmet er sich einem erschütternden Vorfall der europäischen Geschichte und zeigt das persönliche Schicksal eines Mannes, der auf den Schrecken des Terrors eine sehr beachtliche Antwort gibt. Das Drehbuch beruht auf dem gleichnamigen Bestseller des Journalisten und Autors Antoine Leiris. Der Film wurde federführend vom vielfach ausgezeichneten Team von Komplizen Film produziert.
Stab
Regie | Kilian Riedhof |
Drehbuch | Jan Braren , Marc Blöbaum , Kilian Riedhof , Stéphanie Kalfon |
Nach dem Buch von | Antoine Leiris |
Produktion | Janine Jackowski , Jonas Dornbach , Maren Ade |
Koproduktion | Carole Scotta , Julie Billy , Jean-Yves Roubin , Cassandre Warnauts , Klaus Dohle , Timm Oberwelland , Peter Eiff , Jens Wolf , Neshe Demir , Bastie Griese , Peter Kreutz , Christian Granderath (NDR) , Sabine Holtgreve (NDR) , Andreas Schreitmüller (Arte) , Arlette Zylbergberg (RTBF) , Tanguy Dekeyser (Proximus) |
Kamera | Manuel Dacosse |
Schnitt | Andrea Mertens |
Produktionsdesign | Sebastian Soukup |
Musik | Peter Hinderthür |
Kostüme | Catherine Marchand |
Casting | Constance Demontoy , Lale Nalbant |