Heißer Ritt
von Dieter Weirich

Friedrich Merz, Bundeskanzler in spe, rechnet in den kommenden Tagen mit einem „heißen Ritt“. Die auf gepackten Koffern sitzenden Abgeordneten der auslaufenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sollen heute in einer Sondersitzung in erster Lesung das von Union und SPD geplante 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Infrastruktur und die Lockerung der Schuldenbremse für einen höheren Wehretat beraten. Nächsten Dienstag (18.März) soll die Notoperation für eine beispiellose Verfassungsänderung gerade noch vor dem eine Woche später zusammenkommenden neuen Deutschen Bundestag über die Bühne gehen.
Ein fragwürdiges Procedere, das die Angst der demokratischen Mitte vor dem neuen Parlament offenbart. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit ist künftig in der alten Volksvertretung nicht mehr da, AfD und die Linke haben eine Sperrminorität. Nun braucht man die Grünen, aber auch dann ist die Mehrheit im Bundesrat noch fragil.
Der Wortbruch von Kanzlerkandidat Merz, der noch im Wahlkampf die Schuldenbremse verteidigt hatte, wiegt schwer. Er muss sich vorwerfen lassen, sich „an die Regierung zu lügen“, sein Ruf als Ordnungspolitiker ist dahin, das Vertrauen bei Wählern angekratzt. Die Sondierungs-Ergebnisse mit der SPD finden an der Basis der Union und bei Ökonomen wegen geplanter Subventionen und Klientelpolitik viel Kritik.
An der Weisheit der Unions-Unterhändler muss man ohnehin zweifeln. Während man um die Stimmen der Grünen buhlt, attackiert CSU-Chef Markus Söder als Aschermittwochs-Raufbold diese Partei aggressiv. Robert Habeck, den „schlechtesten Wirtschaftsminister aller Zeiten“ will er als Kinderbuchautor in die Schreibstube verdammen, die der Öko-Partei näherstehenden Sozialdemokraten sollen jetzt für die notwendige Aufhellung der Stimmung sorgen.
Der Wahlbetrug von Merz erinnert an das im Wahlkampf 1991 nicht eingehaltene Versprechen von Bundeskanzler Kohl, die deutsche Einheit zum Nulltarif zu finanzieren. Nach der Wahl gab es dann kräftige Steuererhöhungen.
CDU und SPD haben sich in ihrem Sondierungspapier für den bequemen Weg des Schuldenmachens entschieden. Merz habe dennoch die Chance, ein „großer Kanzler“ zu werden, tönt sein bisheriger Kritiker Daniel Günther.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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