O tempora, o mores!
Freunde stutzen, Gegner frotzeln, Europa wundert sich. Mit einem gewaltigen Ruck hat sich der schwere Tanker Bundesrepublik seiner Taue entledigt und steuert volle Kraft voraus durch raue See. Noch sieht es nach Schlingerkurs aus. Als erster Ballast über Bord gegangen ist deutsche Schuldenscheu. Ein Unfall? Wohin geht die Reise unter Kapitän Friedrich Merz? Was ist los in Berlin? Der Versuch einer Orientierung.
Heißer Ritt
Friedrich Merz, Bundeskanzler in spe, rechnet in den kommenden Tagen mit einem „heißen Ritt“. Die auf gepackten Koffern sitzenden Abgeordneten der auslaufenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sollen heute in einer Sondersitzung in erster Lesung das von Union und SPD geplante 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Infrastruktur und die Lockerung der Schuldenbremse für einen höheren Wehretat beraten.
Teurer Kinderglaube
Der Stichtag der Ampel-Minister für die Abgabe von Einsparvorschlägen und Ausgabewünschen für den Bundeshaushalt 2025 ist vorbei, die Bereitschaft zur Einigung auf einen Sparhaushalt scheint gering zu sein. Außenministerin Baerbock wehrt sich in einer Welt der Krisen und Konflikte gegen eine Schrumpfung ihres Etats, Verteidigungsminister Pistorius will zusätzlich zu Sondervermögen und den geplanten 52 Milliarden noch ein Plus, um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO einzuhalten, seine Kabinettskolleginnen Faeser (Innen) und Schulze (Entwicklungshilfe) halten auch die Hand auf. Harte Nüsse für Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Weirichs Klare Kante
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als "liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.