Führen und verführen
von Dieter Weirich

Sprache ist Politik, ein Werkzeug der Kommunikation und zur politischen Gestaltung. Im bundesdeutschen Kulturkampf herrscht ein babylonisches Sprachengewirr, von strengen „Gender-Protaganisten“, zumeist aus dem „woken“,linksgrünen Milieu, bis hin zu den auf Beschwörungszauber hoffenden Verschwörern, die oft am rechten Rand angesiedelt sind. Sprache kann die Komplexität von Sachverhalten reduzieren, kann führen und verführen, ist daher entscheidend für den Erfolg politischer Botschaften und die Deutungshoheit von Parteien. Sie sollte in gutem Deutsch verbreitet und auf gut Deutsch gesagt werden.
Ein gepflegtes „Denglisch“ der neuen Regierung hat die Comic-Vorliebe von Bundeskanzler Olaf Scholz abgelöst. Sprach der gescheiterte Regierungschef bei Investitions-Offensiven vom „Wumms“ oder gar vom „Doppel-Wumms“, so wird jetzt die Verstärkung von Wirtschaftsanstrengungen „Booster“ genannt. Ein Begriff, der sowohl Antrieb wie Auffrischungsimpfungen umschreibt. Früher hat das melodische „Es wird wieder in die Hände gespuckt“ den Bürgern eingängiger die Zukunft beschrieben.
Merz, dessen Englisch-Kenntnisse sogar von US-Präsident Trump gerühmt werden, übt sich gerne in angloamerikanischer Semantik. So geht er bei wichtigen Fragen „all in“, setzt also alles auf eine Karte.
Freilich erreicht der neue Kanzler mit seiner emotionalen, direkten und hin und wieder auch provokanten Art die Wähler eher als sein Vorgänger, der mit seiner roboterhaft vorgetragenen, verquasten technokratischen Sprache wenig Spuren hinterlassen hat. Zwar hagelt es Stürme der Entrüstung gegen die Verwendung von Begriffen wie Paschas, Drecksarbeit oder Zirkuszelt, das Publikum scheint diese Sprache aber als Ausdruck von Authenzität mehrheitlich zu goutieren.
Wie einfältig und gedankenlos das „“Denglische“ aber Einzug in die Sprachwelt von Bürokraten Einzug gehalten hat, zeigt die jüngste Berliner Abkürzung „StolperClean“. Sie beschreibt die Einladung zu einer Reinigungsaktion von Grabplatten, den „Stolpersteinen“ in der Hauptstadt.
„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“ kann man von dem Neu-Humanisten Wilhelm von Humboldt lernen. Für ihn „schenken uns die Sprachen die Welt“ . Geschenke sollte man in Ehren halten.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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