Ernest Hemingway und Kuba: Ein Schriftsteller, ein Haus, ein Boot und eine Legende
von Sepp Spiegl

Ernest Hemingway, einer der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, verbrachte über 20 Jahre seines Lebens auf Kuba. Von 1939 bis 1960 lebte und arbeitete er in der „Finca Vigía“ in San Francisco de Paula, nahe Havanna. Dort schuf er einige seiner bedeutendsten Werke, angelte mit seinem geliebten Boot „Pilar“ und pflegte enge Beziehungen zur kubanischen Bevölkerung. Dieses Kapitel seines Lebens war geprägt von Abenteuern, Exzessen und einer tiefen Liebe zur Karibikinsel.
Das Leben in Havanna und die Finca Vigía

Hemingway zog Ende der 1930er Jahre nach Kuba, als er sich von seiner dritten Frau Martha Gellhorn trennte. Er mietete zunächst das Hotel Ambos Mundos in der Altstadt von Havanna. Auf der Finca la Vigia schrieb Ernest Hemingway den Roman „Wem die Stunden schlägt“, ein Drama des spanischen Bürgerkriegs, über den er Anfang der 1930er Jahre als Journalist berichtet hatte. Aus den Lizenzeinnahmen dieses Buches erwarb er die Immobilie. Dieses Haus wurde sein Rückzugsort, ein Ort der Inspiration, an dem er sich ganz seiner Leidenschaft – dem Schreiben – widmen konnte. Die Finca Vigía lag etwas abseits der geschäftigen Hauptstadt Havanna und bot ihm Ruhe, aber auch Nähe zur Stadt und ihren Bars, die er so liebte. Besonders das „El Floridita“, in dem er seine berühmten Daiquiris trank, und die „Bodeguita del Medio“, in der er Mojitos genoss, sind bis heute mit seinem Namen verbunden. Die Finca selbst war ein weitläufiges, von tropischen Gärten umgebenes Anwesen. Sie war gefüllt mit Jagdtrophäen, Büchern, Kunstwerken und seinen geliebten Tieren. Hemingway war ein großer Hundefreund und hatte mehrere Hunde, darunter „Black“, „Negrita“ und „Linda“. Sie liefen frei auf dem Grundstück herum und begleiteten ihn oft beim Schreiben oder beim Entspannen auf der Terrasse.
Hemingways Schreiballtag: Die berühmte Schreibmaschine
Auf der Finca Vigía verfasste Hemingway einige seiner wichtigsten Werke. Er schrieb meist in den frühen Morgenstunden, oft im Stehen, an einer speziellen Schreibmaschine – einer Royal Quiet Deluxe, die er mit einer hölzernen Erhöhung so platzierte, dass er bequem daran arbeiten konnte. Der Schriftsteller hielt sich strikt an sein tägliches Schreibpensum, das zwischen 500 und 1.000 Wörtern lag. Hemingways Zeit auf Kuba war eine der produktivsten Phasen seines Lebens. Hier entstanden einige seiner bekanntesten Werke, darunter „Der alte Mann und das Meer“ (1951), eine Erzählung über den kubanischen Fischer Santiago, der einen riesigen Marlin fängt, nur um ihn am Ende an Haie zu verlieren.

1951 schrieb Hemingway hier Teile seines berühmtesten Buches „Der alte Mann und das Meer“. Als Vorlage diente sein alter Freund Gregorio Fuentes (1897-2002), der ihn 1928 aus Seenot gerettet hatte. Später entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Männern. Die Geschichte war stark von Hemingways eigener Leidenschaft für das Hochseefischen inspiriert und brachte ihm den Pulitzer-Preis ein. 1954 erhielt er für sein Gesamtwerk den Literaturnobelpreis. Ein weiteres Werk, das in Havanna geschrieben wurde, war „Inseln im Strom“, das jedoch erst posthum veröffentlicht wurde. Dieser Roman gibt tiefe Einblicke in Hemingways Gedankenwelt und seine enge Beziehung zum Meer und zur Karibik. Teile von „Paris – Ein Fest fürs Leben“ entstanden ebenfalls in seiner kubanischen Heimat und zeugen von seinen Erinnerungen an die wilden Jahre in der französischen Hauptstadt. Sein Schreibstil, bekannt für seine klare, ungeschmückte Sprache und seine ökonomische Wortwahl, wurde auf Kuba weiter verfeinert. Hemingway glaubte an das Prinzip des „Eisbergs“, wonach nur die Spitze einer Geschichte sichtbar ist, während der größte Teil unter der Oberfläche bleibt und vom Leser erschlossen werden muss. Diese Technik macht seine Werke bis heute zeitlos und kraftvoll. Hemingway arbeitete oft in seinem Arbeitszimmer, das heute im Museum Finca Vigía noch genauso erhalten ist, mit Blick auf die üppige Vegetation des Gartens. Berühmte Gäste des Hemingway Hauses waren u.a. die Hollywood Schauspieler Katharine Hepburn, Ava Gardner, Errol Flynn und Spencer Tracy.
Sein geliebtes Boot „Pilar“: Abenteuer auf dem Meer

Neben dem Schreiben war Hemingways größte Leidenschaft das Hochseefischen. 1934 kaufte er das Boot „Pilar“, eine 12 Meter lange Motoryacht, die in den kommenden Jahrzehnten zu seinem treuen Begleiter wurde. Er legte mit ihr vor der Küste Kubas und auf den Bahamas an, um Marline und Thunfische zu fangen. „Pilar“ war für Hemingway nicht nur ein Boot – sie war ein Symbol der Freiheit, ein Ort des Rückzugs und Schauplatz vieler Abenteuer. Während des Zweiten Weltkriegs rüstete Hemingway sein Boot mit Maschinengewehren aus und patrouillierte mit einer Crew aus kubanischen Fischern und Freunden entlang der Küste, um nach deutschen U-Booten Ausschau zu halten. Diese Episode aus seinem Leben ist wenig bekannt, zeigt aber seinen abenteuerlichen Geist.
Heute ist „Pilar“ auf der Finca Vigía ausgestellt und eine der größten Attraktionen für Hemingway-Fans. Die Yacht ist originalgetreu erhalten und bietet einen Einblick in seine Leidenschaft für das Meer.
Sein Verhältnis zu Fidel Castro

Hemingway verließ Kuba 1960, kurz nach der kubanischen Revolution. Obwohl er sich politisch nie öffentlich positionierte, entwickelte er eine gewisse Faszination für Fidel Castro. Ihr bekanntestes Treffen fand 1960 während des Hemingway-Angelwettbewerbs vor der Küste Havannas statt, bei dem Castro als Sieger hervorging. Hemingway gratulierte ihm persönlich und überreichte ihm den Pokal. Dieses Bild – Hemingway und Castro in freundlichem Gespräch – ging um die Welt. Obwohl ihr Kontakt nur kurz und sporadisch war, bewunderte Hemingway offenbar Castros Energie und seinen Kampfgeist. Gleichzeitig betrachtete er die politischen Umwälzungen mit Skepsis. Er sah, wie sich Kuba veränderte, und es wird vermutet, dass er sich aus Sorge um sein Eigentum und die politischen Entwicklungen entschied, die Insel endgültig zu verlassen.
Nach Hemingways Tod 1961 ließ Castro die Finca Vigía in einen literarischen Wallfahrtsort umwandeln. Er würdigte Hemingway als einen „Freund Kubas“, der die Insel mit großem Respekt behandelt hatte. Die kubanische Regierung schützte sein Erbe und verwandelte sein Haus in ein Museum, das bis heute erhalten ist.
Das heutige Hemingway-Museum in Kuba

Heute ist die Finca Vigía eines der bedeutendsten literarischen Museen der Welt. Sie wurde liebevoll restauriert und erhalten, um Hemingways Lebensweise und Schaffenskraft widerzuspiegeln. Besucher können das Haus nicht betreten, aber durch die offenen Fenster und Türen einen Blick auf das original erhaltene Interieur werfen – von seiner Bibliothek mit über 9.000 Büchern bis hin zu seinen Jagdtrophäen, persönlichen Notizen und seiner berühmten Schreibmaschine. Das Museum umfasst auch Hemingways geliebtes Boot „Pilar“, das in einem Pavillon auf dem Grundstück ausgestellt ist. Die weitläufigen Gärten wurden gepflegt, sodass sie weiterhin die Atmosphäre aus Hemingways Zeit ausstrahlen. Jährlich pilgern Tausende von Touristen, Literaturliebhaber und Forscher zu diesem Ort, um das Erbe eines der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts zu erleben.
Das Museum spielt eine wichtige Rolle in der kubanischen Kultur und wird von der Regierung und internationalen Hemingway-Verehrern unterstützt. Es bleibt ein einzigartiges Zeugnis der engen Verbindung zwischen dem Schriftsteller und Kuba – einer Insel, die ihn inspirierte und die er liebte. Ernest Hemingway mag nicht mehr am Leben sein, aber sein Geist lebt auf Kuba weiter – in seinen Büchern, in den Wellen, die gegen die Küste schlagen, und in der warmen Brise, die durch die Palmen der Finca Vigía weht.
Öffnungzeiten:
Montag – Freitag: 10 – 17 Uhr
Samstag: 10 – 16 Uhr
Sonntags geschlossen
Eintritt: 125 CUP pro Person. USD 3 (EUR 3,39)
HIER GEHTS ZUR FOTOSTRECKE MUSEUM HEMINGWAY:
Schreibe einen Kommentar