von Dr. Aide Rehbaum

Detail der Krippe von Archena. Hier gabs keinen Cager.

Die Weihnachtszeit in Spanien hat mit unserer nur wenig Ähnlichkeit. Zwar schmückt jeder Ort seine Straßen mit mehr oder weniger prächtig leuchtendem Schmuck, vergeblich wird man aber Glühwein oder Eierpunsch suchen. Die in Deutschland dominierenden Fressbuden mit Kartoffelpuffern und Thüringer Würstchen vermisst man nicht, Karusselle, Kinderspielzeug, Maronen und Süßigkeiten gibt es reichlich. Egal, wohin man kommt, bemerkenswert ist “el Belén”, die Weihnachtskrippe, an deren Bau sich in Archena (Region Murcia) z.B. jede Familie beteiligen kann, die ihren Bauteil später beim Abbau mit nach Hause nimmt. In Katalonien halten sie noch einen extra Clou bereit: Seit dem 18. Jahrhundert verbirgt sich in jeder Krippe ein Caga, das ist eine Figur, die sich gerade mit heruntergezogener Hose erleichtert. Wenn die Kinder den versteckten Caga finden, bringt das dann Glück im neuen Jahr. In Girona hat sich eine Firma auf die Herstellung dieser Figur spezialisiert und versieht sie mit prominenten Gesichtern. Nicht mal vor dem Papst machen sie Halt. In Katalonien gehört der “Kacker” zur Krippe wie Maria, Josef und das Christkind. Damit man auch sieht, dass es sich um eine katalanische Tradition handelt, trägt der Caganer die in Katalonien typische, rote Barretina. Mit seiner Hilfe wird der Boden gedüngt und eine bessere Ernte ist zu erwarten.

Auch Spanien ist amerikanisch infiziert, hier klettern Weihnachtsmänner an den Fassaden und Geländern, obwohl die nichts zu tun haben. Für die Geschenke sind nämlich die Heiligen Drei Könige verantwortlich und sie bekommen die Wunschzettel. Am 5. Januar veranstaltet jeder größere Ort einen Umzug. In Gandía formierten sich dieses Jahr am Start die Wagen, Tanzgruppen übten auf dem Placa del Cardenal.

Allmählich kroch uns die Kälte auch unter die doppelten Jacken, da die 19 Grad C tagsüber sich schnell reduzierten auf 8 Grad, während in einer Eckkneipe sich noch Zugteilnehmer wärmten. Außer uns sahen wir nur Einheimische und Massen von Kindern, die ja heute ihre Weihnachtsgeschenke auf den Wagen vorbeifahren sehen. Ob sie allerdings nennenswert Süßigkeiten sammelten, steht dahin, denn diese wurden nicht freigebig geworfen, sondern verkleidete Kinder verteilten direkt aus Schubkarren in die Tüten am Straßenrand. Polizei patrouillierte auf Quads, eine Drohne filmte von hoch oben und das Fernsehen erwartete den Zug am Ziel.

Endlich um 19 Uhr setzte sich der leuchtende Stern in Bewegung. Statt unserer Mottowagen zu Karneval gibt es nur Darstellungen aus der biblischen Geschichte: Jeder König steht auf einem, von Autos gezogenen Wagen. Aus Lautsprechern tönt die Musik für die Tanzgruppen, Dudelsack-, Klarinettisten und Trompeter blasen, was das Zeug hält undefinierbare Melodien. So stellte man sich wohl im Mittelalter den Einzug der Orientalen vor. Trommel- und Standartenträger passieren mit geschwellter Brust. Die Schatztruhe von Caspar und das überdimensionales Weihrauchfass Melchiors wurden auf Karren vorbeigeschoben. 

Nur die Tanzgruppen sind mehrheitlich mit LED-Leisten oder reflektierenden Folien ausgestattet. Die Tiere sind allesamt aus festem Material gebastelt: Balthasars Elefant und Kamel sehen aus, als seien sie hundert Jahre in Verwendung. Der Kopf des Kamels aus Holz und Stoff wird von einem Mann mit Seilzügen bewegt, der auf dem Rücken sitzt, sogar die Augen kann er klappern lassen. Die Beine bewegen mehrere hinterhergehende Männer im ordentlichen Passgang. Die Pferde aus Metall, und der Elefant erinnern an mechanisches Spielzeug aus dem 19. Jahrhundert. Wir sind hin und weg von diesem typischen Event, das wir ohne einen Insidertipp nie erlebt hätten.

Nach einer Stunde beendete König Balthasar den Zug mit seinem Trupp schwarzer Fahnenträger, alle, auch der König und sein Wesir, stolz wie Bolle. Wie erfreulich, dieser Beweis für gelungene Integration. Hier hat man keine Weißen schminken müssen! Gruppe folgt auf Gruppe an echten Schwarzen! Es ist natürlich ein Riesenunterschied, ob jemand als Hilfesuchender übers Mittelmeer kommt oder vor Jahrhunderten als erfolgreicher Eroberer. Ihr Einfluss beschränkt sich längst nicht auf den Umzug der Heiligen-Drei-Könige.

 

 

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