Bomben fielen nicht auf das Bergdorf Vermiglio, aber gebrochene Männer kennen sie hier trotzdem: Lucia (Martina Scrinzi, r.) verliebt sich in den Deserteur Pietro (Giuseppe De Domenico, l.). (Foto: Piffl Medien)

Ein kleines Dorf in den Südtiroler Alpen am Ende des Zweiten Weltkriegs, eine patriarchale Gesellschaft – und die heimliche Liebe zwischen einer jungen Frau und einem geflüchteten Soldaten: „Vermiglio“, der zweite Spielfilm der italienischen Regisseurin Maura Delpero, ist eine feinfühlig beobachtete Studie über eine verschworene Gemeinschaft – und eine Hommage an das Heimatdorf ihres Vaters.

Foto: Piffl Medien

ln Vermiglio, einem abgelegenen Dorf im Trentino, lebt die kinderreiche Familie des Lehrers Graziadei in sehr einfachen, armen Verhältnissen, aber im Einklang mit der schönen, urtümlichen Umgebung der Ostalpen. Die drei Schwestern Lucia (etwa 18 Jahre alt), Ada, etwa 16, und Flavia, etwa 13 Jahre, teilen sich das Bett und vertrauen sich ihre geheimen Wünsche und Sorgen an. Als 1944, im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, ein sizilianischer Deserteur namens Pietro auftaucht, wird er vom Lehrer in einem Heuschober versteckt. Lucia verliebt sich in den schweigsamen Pietro, wird von ihm schwanger und möchte ihn heiraten. Pietro willigt ein, hält um ihre Hand an und die Hochzeit findet statt. Dann aber erreicht das Dorf die Nachricht vom Kriegsende und die Familie drängt Pietro, nach Sizilien zu fahren, um seiner Mutter mitzuteilen, dass er gesund überlebt hat. Pietro verspricht der schwangeren Lucia, so bald wie möglich zurückzukehren. Doch es kommt wochenlang keine Nachricht von Pietro, bis die Familie Graziadei durch einen Zeitungsbericht erfährt, dass Pietro schon mit einer Sizilianerin verheiratet war und diese ihn erschossen habe, um ihre Ehre wiederherzustellen.

Die völlig verstörte Lucia verfällt in einen Zustand der Verzweiflung und tiefer Teilnahmslosigkeit, bringt aber das Kind von Pietro gesund zur Welt. Allerdings lehnt sie das Kind ab und will Selbstmord begehen, von dem sie aber ihr Bruder Dino abhalten kann. Nachdem sie wieder neuen Lebensmut geschöpft hat, reist sie nach Sizilien, wo sie Pietros erste Frau mit deren Sohn sieht, mit der sie aber nur Blicke tauscht, und Pietros Grab besucht. Als sie nach Vermiglio zurückgekehrt ist, besucht sie ihr Kind im Waisenhaus, das dort von ihrer Schwester Ada betreut wird, die Nonne geworden ist. Sie freut sich zum ersten Mal über ihr Kind und verspricht ihm, dass sie es zu sich nehmen werde, sobald dies möglich ist. Dann erfährt der Zuschauer, dass sie in die Stadt gehen will, um sich als Hausmädchen in einer wohlhabenden Familie zu verdingen.

Regie führte Maura Delpero, die auch das Drehbuch schrieb. Es handelt sich um den zweiten Spielfilm der italienischen Filmemacherin. Vermiglio ist von Delperos eigener Familiengeschichte inspiriert und greift Geschehnisse aus dem Leben ihres Vaters auf, der in Südtirol lebte. Ihr Großvater war des Weiteren, wie der Vater im Film, der Dorflehrer. „Als mein Vater im Jahr 2019 starb, kam in mir die Erinnerung an Geschehnisse auf, von denen ich aus Erzählungen wusste“, erklärte Delpero. Sie habe nicht gewollt, dass dieser Teil der Historie verlorengeht, und hatte zu recherchieren begonnen.

Regie Maura Delpero
Drehbuch Maura Delpero
Produktion Francesca Andreoli, Maura Delpero, Santiago Fondevila, Leonardo Guerra Seràgnoli
Musik Matteo Franceschini
Kamera Michail Kritschman
Schnitt Gianluca Mattei