Gerhard Schröder und die Moskauer Machtspiele

Die Kandidatur von Exkanzler Gerhard Schröder für den Aufsichtsratsvorsitz bei dem staatlichen, russischen ÖlgigantenRosneft ist mittlerweile von dem Konzern in Verbindung mit der russischen Regierung, bestätigt worden. Der Vorgang hat nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit die Wellen hoch schlagen lassen. Auch in Moskau hat die Nennung für heiße Spekulationen gesorgt, berichtet die Internetzeitung Umwelt- und Energie-Report (U+E) (s. unten). Am 29. September finden die Wahlen auf der außerordentlichen Sitzung der Aktionäre statt, berichtet U + E weiter.
Die bekannte russische Tageszeitung „Kommersant“ gibt in ihrem jüngsten Bericht zum Thema nicht nur die Sicht des Kreml für Schröders Kandidatur wieder. Sie würzt ihren Bericht auch mit tiefen Einblicken in die Auseinandersetzungen , die es ganz offenbar in dem bisherigen Führungszirkel des Ölgiganten und mit einzelnen hochrangigen Mitgliedern von ihnen mit dem Kreml gibt.
„Exklusive Kompetenz“
„Kommersant“ berichtet zunächst, der Vorschlag, Schröder den verantwortungsvollen Posten anzubieten, sei damit zu erklären , dass er „ein international angesehener Politiker ist, der sich kontinuierlich für die strategische Kooperation Deutschlands und Europas mit Russland im Energiebereich eingesetzt hat.“ Zudem habe der ehemalige Kanzler exklusive Kompetenzen und Erfahrung eines unabhängigen Direktors in den größten russischen und internationalen Öl- und Gasunternehmen, darunter als Vorsitzender des Aufsichtsrats“, heißt es in dem Bericht des Blattes weiter, für das im Juni 2016 auch der damalige Außenminister Frank Walter Steinmeier zum 75-jährigen Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion schon mal einen Gastbeitrag geschrieben hatte.

Die von Moskau gesteuerte Nachrichten-Agentur Sputniknews ergänzte zum Thema : „Die Nominierung des ehemaligen Bundeskanzlers zeigt seinen Stellenwert in Sachen Wirtschaft. Der Wohlstand der deutschen Wirtschaft basiert in vielerlei Hinsicht auf seiner Agenda 2010. Die Beteiligung am erfolgreichen Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream bestätigt seinen guten Ruf auch in Großprojekten. Viele Deutsche schätzen die Kontinuität des Altkanzlers, der für die Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland wirbt.“
Teil eines Machtspiels?
Interessant sind aber nun die weiteren Informationen von „Kommersant“ zum tieferen Hintergrund von Schröders Berufung. Da wird darauf hingewiesen, dass der russische Öl-Konzern, aber auch der Kreml (der sich bei den staatlichen Konzernen immer wieder maßgeblich einschaltet), mit der Berufung des Ex- Kanzlers wohl nicht nur das immer noch starke politische Gewicht Schröders im Auge haben. Auch der „Krieg“ zwischen zwei engen Vertrauten von Präsident Wladimir Putin im Führungszirkel des Konzerns soll mit der Berufung Schröders an entscheidender Stelle beendet werden. Der Altkanzler würde Andrej Beloussow aus der Führungsposition im Konzern verdrängen, einen engen Wirtschaftsberater Putins. Dass Beloussow von Schröder abgelöst wird, hängt laut „Kommersant“ damit zusammen, dass die russische Führung den Konflikt zwischen Beloussow und dem engsten Vertrauten Putins, Rosneft-Chef Igor Setschin, regeln will.
Der Konflikt sei während des Deals zum Erwerb der russischen Mineralölfirma Baschneft im vergangenen Herbst ans Licht gekommen, berichtete Kommersant Ende August. Beloussow wäre damit das nächste „Opfer“ von Setschin, dem wiederum engsten und längsten Vertrauten Putins. Setschin wird zugeschrieben, im November vergangenen Jahres im Zusammenhang mit dem „Erwerb“ von Baschneft den russischen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew „abgeräumt“ zu haben. Der hatte sich dem Erwerb von Baschneft in den Weg gestellt. Seit Anfang August steht nun mit ihm erstmals in der jüngsten Geschichte Russlands ein ranghohes früheres Mitglied der russischen Regierung vor Gericht. Angeklagt ist der Ex-Wirtschaftsminister der Erpressung und Korruption. Der 61-Jährige bestreitet die Vorwürfe und spricht von einer Provokation. Beobachter tippen eher auf ein politisches Komplott.
Dieter Kassing
http://www.umwelt-energie-report.de/2017/09/oelkonzern-rosneft-bestaetigt-schroeders-kandidatur/