1955 wurde es bei Schimpansen mit Atemwegssymptomen entdeckt, kurze Zeit später auch beim Menschen: das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Seitdem sind Wissenschaftler damit beschäftigt, Schritt für Schritt einen Werkzeugkasten aufzubauen – gefüllt mit Instrumenten, mit denen sie dem Erreger so gut wie möglich Einhalt gebieten können. Denn inzwischen ist RSV ein Problem für Menschen und Gesundheitssysteme weltweit. Die Forschung läuft auf Hochtouren – und liefert Ergebnisse.

1955 wurde das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) entdeckt – seitdem ist die Wissenschaft auf der Suche nach Möglichkeiten, um dem Erreger Schritt für Schritt besser Einhalt gebieten zu können. © Michal Jarmoluk auf Pixabay.com

Geschätzte 1,4 Millionen Babys unter 6 Monaten kommen jedes Jahr weltweit aufgrund von RSV ins Krankenhaus. Bei Erwachsenen ab 60 Jahren sind es allein in einkommensstarken Ländern rund 470.000 Klinikeinweisungen jährlich. Gerade im vergangenen Winter stellte RSV im Zusammenspiel mit COVID-19, Grippe und anderen Erkältungskrankheiten Kinderkliniken und kinderärztliche Praxen auf eine enorme Belastungsprobe – auch hierzulande. RSV ist ein Virus, das Lunge und Atemwege befällt. Bei den meisten Menschen kommt es zu erkältungsähnlichen Symptomen. Doch insbesondere für junge Säuglinge, deren Atemwege noch sehr eng sind und die bislang keinen Kontakt mit dem Erreger hatten, kann es durchaus gefährlich werden. Gleiches gilt für ältere Erwachsene, deren Immunsystem mit zunehmendem Alter nachlässt, sowie Menschen mit chronischen Erkrankungen: Schwere Atemwegsinfektionen – etwa in Form einer Lungenentzündung – und Tod sind potenzielle Folgen.

Seit Ende der 1990er-Jahre gibt es die Möglichkeit einer prophylaktischen Medikamentengabe, um schweren Verläufen vorzubeugen. Allerdings kommt der erste Vertreter solch gentechnisch hergestellter Antikörper lediglich für Frühchen und unter 2-Jährige mit bestimmten Begleiterkrankungen in Frage und muss monatlich verabreicht werden. Im vergangenen Jahr erhielt schließlich ein weiteres Arzneimittel zur Prävention die Zulassung in Europa. Es genügt eine Einmalgabe und hat ein breites Anwendungsspektrum, wie  Iskra Reic vom biopharmazeutischen Unternehmen AstraZeneca betonte. Es soll bei Neugeborenen und Kindern in ihrer ersten RSV-Saison eingesetzt werden können. 2023 dann ein weiterer Meilenstein: Der erste Impfstoff weltweit erhielt grünes Licht der Zulassungsbehörden – er ist zum Schutz für Menschen ab 60 Jahren gedacht.

RSV: Forschung schafft Wissen

Über ein halbes Jahrhundert lang arbeiten sich Wissenschafter bereits an RSV ab. „Mehrere Faktoren machen die Bekämpfung von RSV zu einer Herausforderung. Dazu gehören die Tatsache, dass die Infektion bei Säuglingen in einem sehr jungen Alter auftritt, die vielfältigen Mechanismen, die RSV nutzt, um die angeborene Immunität zu umgehen, das Fehlen einer dauerhaften schützenden Immunität, die durch eine natürliche Infektion ausgelöst wird, und das schwächer werdende Immunsystem mit steigendem Alter“, so Bishoy Rizkalla vom forschenden Pharma-Unternehmen GSK. Das RS-Virus siedelt sich eher „äußerlich“, also vor allem auf der Oberfläche der Atemwege, an und bleibt so vor vielen Immunantworten geschützt. „Es kann auch die eingebaute antivirale Reaktion unseres Immunsystems behindern. Indem es seine Proteine ‚umdreht‘, erschwert es unseren Antikörpern, sie zu neutralisieren – und verhindert, dass infizierte Zellen um Hilfe signalisieren“, heißt es bei GSK.

Die Palette an Werkzeugen gegen RSV dürfte zügig wachsen. © PublicDomainPictures auf Pixabay.com

Doch unermüdliche Forschung brachte neue Erkenntnisse zutage. Ein Beispiel: „Wir wissen jetzt, dass ein bestimmtes Protein – das so genannte ‚Oberflächenfusionsglykoprotein F‘ – an den ersten Phasen der Infektion beteiligt ist“, erklärt Bishoy Rizkalla. Der jüngst zugelassene Impfstoff ist Antwort auf dieses Wissen – als sogenannter Proteinimpfstoff enthält er „eine gentechnisch veränderte Version des Fusionsproteins (F) des Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV)“, erläutert das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dieses Protein „fungiert als Antigen, gegen das vom Immunsystem Antikörper zum Schutz vor der Infektion gebildet werden.“ Außerdem enthält das Vakzin einen Wirkverstärker, der die Immunreaktion auf den Impfstoff ankurbelt. Der Schutz vor schweren RSV-Erkrankungen liegt laut Zulassungsstudie bei über 94 Prozent.

RSV-Pipeline: Vielversprechend

Ein Blick auf die Website des Pharmaverbands vfa zeigt: Die Palette an Werkzeugen gegen RSV dürfte nun zügig wachsen. Es könnte bald Schlag auf Schlag gehen: Für einen mRNA-Impfstoff – ebenfalls für ältere Erwachsene – wurden jüngst von der Herstellerfirma erste Zulassungsanträge gestellt. Ein anderes Vakzin, das sich im europäische Zulassungsverfahren befindet, richtet sich – neben den ab 60-Jährigen – an Schwangere. So sollen Babys nach ihrer Geburt bereits einen Schutz haben, obwohl sie selbst noch nicht geimpft werden können. Bei eine Presseveranstaltung im März hatte Kena Swanson, Vize-Präsidentin für virale Impfstoffe bei Pfizer, gesagt: „Wir nutzen den natürlichen Prozess, bei dem die Mutter im 2. und 3. Trimester über die Plazenta dem Fetus Antigene überträgt“. Weitere Präparate befinden sich in der letzten Phase der klinischen Erprobung.

Feststeht: Je vielfältiger und umfangreicher der Werkzeugkasten letztendlich wird, desto erfolgreicher lässt sich RSV in seine Schranken weisen. Denn jeder Mensch ist anders. „Wir brauchen Zugang zu einer breiten Palette von Technologien: One-size-fits-all – eine Lösung für alle – ist nicht gut genug“, findet Bishoy Rizkalla, GSK.

Quelle: https://pharma-fakten.de

 

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