Heeresgeschichtliches Museum (HGM) im Wiener Arsenal

von Dr. Aide Rehbaum

Preußische Soldaten, an denen sich der Corona-Mundschutz noch seltsamer ausnimmt als ohnehin, mischen sich unter die Besucher. Es ist, als seien eben übergroße Schaufensterpuppen aus den Schaukästen gestiegen. Die „Langen Kerls“ zum Anfassen sind aus Potsdam angereist und haben an diesem Sonntag im Oktober schon nach dem originalen Reglement von 1726 vor dem Museum exerziert.

Man muss kein Waffennarr sein oder Mitglied in einem Verein, der in selbst genähten Uniformen historische Schlachten nachspielt, um das Heeresgeschichtliche Museum mit Gewinn zu besuchen. In den weitläufigen Sälen des ehemaligen Arsenals verteilen sich Objekte aus rund 400 Jahren mitteleuropäischer Militärgeschichte. Ein Schwerpunkt ist natürlich die wechselvolle Geschichte Österreichs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die gewaltige Kasernenanlage wurde 1849 in Kanonenschussweite zur Innenstadt begonnen. Das heutige Museum entstand unter der Leitung des dänischen Architekten Theophil Hansen, der gotische, byzantinische und maurische Stilmerkmale kombinierte. Die Innenausstattung sollte als Ruhmeshalle Österreichs Größe repräsentieren. Der beeindruckende Protz hat sicher diesen Zweck erfüllt und läuft den Exponaten ein wenig den Rang ab.

Erstes Patent von Gunther Burstyn für gepanzerte Motorfahrzeuge (1911)

Zum Hauptgebäude gehört auch eine Halle, in der über dreißig Panzerwagen, Spähwagen, Artilleriegeschütze, Panzerabwehrfahrzeuge und deren Ausstattung zu sehen sind. Vom ersten Patent bis zum Bundesheer ist alles vertreten, was ein Schaudern hervorruft.

Neben der Ausrüstung wird auch Kriegsbeute gezeigt, so z.B. von der Belagerung Wiens durch die Türken (ein Audienzzelt) oder aus der Schlacht bei Würzburg 1796 (ein französischer Kriegsballon), Mörser aus Belgrad, Napoleons Offiziersmantel aus russischer Produktion u.a.m. Maria Theresia ist ein ganzer Raum gewidmet. Das Militär wird nicht verherrlicht, sondern knapp und differenziert Vorgeschichten, Hintergründe und Auswirkungen der Kriege beleuchtet. Welche Mühe brachte der Mensch in Mitteleuropa auf, um den Gegner im Abzumetzeln zu übertreffen, sich zu verteidigen oder zu schützen!

„Gräf & Stift“ Fahrzeug

Mein sudetendeutscher Großvater schrie bis zuletzt in seinen Albträumen, sprach aber nie über seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg. Als einzige Hinweise dienten der Familie ein Foto und die Zeichnung eines Unterstandes. War er in der Herzegowina oder in Wolhynien? Auf der Feldpostkarte durften keine Details zu Aufenthaltsort oder Kriegsführung berichtet werden. Seine Brüder kämpften in den Alpen. Wo sonst, wenn nicht hier, erfährt man mehr über den Ersten Weltkrieg der Habsburgermonarchie?

Hier steht der „Gräf & Stift“, das damals teuerste Auto, in dem der habsburgische Thronfolger (seine durchschossene Uniformjacke in der Vitrine) und seine Frau 1914 in Sarajevo ermordet wurden. Texttafeln listen Schlachten auf, erklären Schutzvorrichtungen, Erfindungen der Waffen- und Abwehrtechnik. Man sieht Teile von Unterständen, Bunkern, Zeugnisse der Kriegsgefangenschaft und bedrückende Gemälde zum massenhaften Sterben von dem expressionistischen Maler Egger-Lienz, einem Zeitzeugen.

38cm Belagerungshaubitze M.1916 aus den Škoda-Werken AG Pilsen, 80 Tonnen schwer

Eine weitere Abteilung beinhaltet die Sammlung zur Seefahrt. Dort finden sich neben Seeschlachtgemälden, Modellen, Schnitten durch U-Boote Objekte zum kulturellen Beitrag der österreichischen Marine, wie beispielsweise die Büste des in österreichischen Diensten stehenden, gebürtigen Hessen, Carl Weyprecht, der 1873 das Franz-Josef-Land entdeckte, Ölgemälde seines Partners Julius Payer und Ausrüstungsgegenstände der Expedition.

Das Museum hat einen virtuellen Rundgang und zu etlichen Highlights eine ganze Reihe youtube-Videos ins Netz gestellt. Schauen Sie mal rein! www.hgm.at

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