Weirichs Klare Kante

Dieter Weirich

Einen „auf uns zurollenden Tsunami von maschinell erstellten Inhalten“ sieht Michael Katzlberger, Chef eines weltweit operierenden Beratungsunternehmens. Microsoft-Gründer Bill Gates glaubt an die „unglaubliche Macht der Künstlichen Intelligenz (KI) auf die tiefgreifende Veränderung unserer Gesellschaft“. Während sich jedoch die Vereinigten Staaten ihre technologischen Wettbewerbsvorteile durch entschlossene Anwendung bei gleichzeitiger Beachtung der Risiken durch transparente Dokumentation sichern, droht in Europa eine Überregulierung.

In der Welt neuer Technologien fressen nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Angesichts des fehlenden Vertrauens in eine vernünftige Ordnungspolitik empfehlen Investoren bereits vor allem jungen Firmen, mit ihren kreativen Ideen ins Ausland zu gehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ahnte schon vor Monaten: “Wir haben die besten Verkehrsvorschriften der Welt, aber keinen Verkehr auf der Straße“.

Mehr Tempo bei der Gestaltung einer europäischen KI-Verordnung sollten jetzt die Bundesregierung zusammen mit Italien und Frankreich nach der Vorlage eines gemeinsamen Positionspapiers machen, das bei der Basistechnologie auf eine Selbstregulierung der Branche setzt. Bei den besonders vorschriftengläubigen Grünen stößt allzu viel Freiheit bei einer der wichtigsten Erfindungen der Menschheit auf wenig Gegenliebe.

„German Angst“ ist zu einer weltweit gebrauchten Vokabel für mangelnde Zukunftsoffenheit und dem Wunsch nach einer Verrechtlichung des ganzen Lebens geworden. Unsere internationalen Wettbewerber staunen über unsere Energiepolitik, über die totale Ablehnung der Kerntechnik und eine schon religiöse Verehrung für erneuerbare Energien. Sie staunen ebenfalls über, die Vorbehalte gegen die Gentechnik und den Kampf gegen den Verbrennermotor.

Der 2018 verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking prognostizierte „KI als das wahrscheinlich Beste oder das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann“. Die Bundesregierung sollte sich also auf das Beste, auf die Nutzung der Chancen konzentrieren und Gefahren möglichst eindämmen. Wer nur Risiken sieht, wird blind für das Positive. Es ist Zeit, sich für den Tsunami zu wappnen.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

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