Europa fällt auf Trumps KI-Bluff herein
Während China schon jetzt effizientere KI-Modelle baut, rennt Europa weiterhin dem US-Modell technologischer Innovation hinterher.

Haben die Vereinigten Staaten einen Wettlauf um künstliche Intelligenz eröffnet, den Europa nur verlieren kann? Von außen wirkte es zumindest kurzzeitig so. Letzte Woche kündigte Trump ein 500-Milliarden-Dollar-Projekt für KI-Infrastruktur an. Schon eine Woche später erscheinen solche Investitionen in KI-Infrastruktur fehlgeleitet. Verglichen mit den Summen, die nicht nur Trump, sondern auch Tech-Konzerne in den letzten zwei Jahren investiert haben, verblassen selbst die kühnsten Pläne Europas. Die EU-Kommission verabschiedete letztes Jahr zum Beispiel ein Drei-Milliarden-Euro-Innovationspaket für KI-Start-ups und den Mittelstand. Ein lächerlich kleiner Betrag. Selbst die 800 Milliarden Dollar, die der Ex-EU-Zentralbanker und Euro-Retter Mario Draghi jährlich für Europas Wettbewerbsfähigkeit mobilisieren will, lassen die EU träge und wenig ambitioniert aussehen. Das Geld soll schließlich für eine ganze Reihe von Industrien ausgegeben werden und könnte sowieso erst mit dem neuen EU-Haushalt 2028 fließen. Wie soll das schwerfällige und bürokratische Europa in einem KI-Wettrennen mit den USA bestehen?
Doch der Schein trügt. Hinter Trumps PR-Offensive stecken einige unbequeme Wahrheiten: Trumps angebliche Investition ist keine staatliche, sondern eine rein private. Die Finanzierung steht noch nicht einmal. Die bisher nur angekündigten Gelder stammen von SoftBank und OpenAI – und auch hier ist vieles nur heiße Luft. SoftBank hatte schon vor einem Monat Investitionen im Wert von 100 Milliarden Dollar angekündigt. Die realen Zusagen liegen wohl eher bei zehn Milliarden, wie selbst Elon Musk anmerkte. Am Wochenende berichtete die Financial Times, dass allein OpenAI von der Initiative profitieren solle.
Für die US-KI-Industrie und Trumps Regierung war die Inszenierung dennoch ein Erfolg. KI wird zur Chefsache deklariert und damit als too big to fail und „zu wichtig, um zu bremsen“ dargestellt. All das geschieht, während die wirtschaftliche Tragfähigkeit großer Sprachmodelle nach wie vor ungewiss ist. OpenAI, der weltweit umsatzstärkste Vorzeigeakteur, schreibt nach wie vor Verluste. Dennoch kann Trump ein Bild gigantischer Investitionen und zahlloser neuer Arbeitsplätze zeichnen. Wie diese entstehen sollen und ob KI nicht vielmehr vor allem zum Abbau von Stellen genutzt wird, bleibt unklar.
Beunruhigender als die vorhersehbare Theatralik dieser Regierung ist jedoch vielleicht die reflexartige Reaktion Europas: Panik, Besorgnis und große Angst, etwas zu verpassen.
Beunruhigender als die vorhersehbare Theatralik dieser Regierung ist jedoch vielleicht die reflexartige Reaktion Europas: Panik, Besorgnis und große Angst, etwas zu verpassen. Jetzt, da die Kurse von KI-Firmen eingebrochen sind, wird diese Reaktion noch deplatzierter, als sie es sowieso schon war. Europa hat es in der Tat schwer, im globalen Wettrennen um immer größere KI-Modelle zu bestehen. Doch die viel wichtigere Frage ist eigentlich: Sollte es das überhaupt versuchen? Die Vorstellung, dass sich die Welt in einem KI-Wettrennen befindet, setzt auf eine einfache Gleichung: Mehr Rechenleistung führt zu besseren Modellen, und diese bringen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Doch die Realität sieht anders aus. Anzeichen einer KI-Blase mehren sich seit Monaten. Die großen Modelle haben bislang kein stabiles Geschäftsmodell. Gleichzeitig entwickeln chinesische Unternehmen wettbewerbsfähige Modelle wie DeepSeek mit viel weniger Ressourcenaufwand.
Auch europäische Unternehmen gehen längst eigene Wege. Sie verlassen den eng definierten Pfad der US-Giganten und finden innovative Nischen. „Unendlich Geld für Nvidia-Chips ausgeben kann jeder, ein funktionierendes Geschäftsmodell finden ist wesentlich schwieriger“, sagte jüngst Aleph-Alpha-Chef Jonas Andrulis auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung.
Die EU täte gut daran, nicht blind in KI-Infrastruktur für immer größere KI-Modelle zu investieren.
Die EU täte gut daran, nicht blind in KI-Infrastruktur für immer größere KI-Modelle zu investieren. Denn fehlendes Geld ist nur ein Teil des Problems. Die eigentlichen Hürden sind die Oligopole der US-Tech-Giganten: Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und X. Sie können Milliarden in KI stecken, oft ohne funktionierendes Geschäftsmodell. Europas Cloud-Markt wird ebenfalls von US-Unternehmen dominiert, die damit auch zentrale KI-Infrastruktur kontrollieren. Der US-Konzern Nvidia liefert fast alle Chips, auf die europäische KI-Unternehmen angewiesen sind – zu hohen Preisen und mit schnellem Wertverlust. Die europäische Abhängigkeit geht so weit, dass US-Regierungen die Versorgung zudem jederzeit politisch einschränken könnten, wie zuletzt Polen noch unter US-Präsident Joe Biden erfahren musste.
Wenn Europa jetzt in einen solch hochkonzentrierten globalen KI-Markt Milliarden öffentlicher Gelder investieren würde, dann würde das Geld primär an Nvidia (für Chips) und an Amazon, Google und Microsoft fließen (für Cloud-Computing). Denn was in Europa immer noch nicht wirklich verstanden wird, ist, dass die schwindelerregenden Kurssteigerungen im KI-Markt zu einem großen Teil einer kleinen Anzahl an US-Firmen zuzuschreiben ist. Genau diese Kurse sind nun eingebrochen.
Es braucht einen grundlegenden Plan für Europas digitale Zukunft.
Europas Wirtschaft muss aus ihrer Lethargie erwachen. Doch während Biden noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit vor den Risiken warnt, die die Oligarchie für die US-Demokratie darstellt, rennt Europa noch immer einem Modell hinterher, das selbst für die Mehrheit der Bevölkerung der USA nicht mehr funktioniert. Die Frage ist: Bringen Milliardeninvestitionen in einen weiterhin hochkonzentrierten Markt überhaupt die Art von Wohlstand, die wir wollen: gerecht verteilt, umweltfreundlich und im Einklang mit dem sozialen Modell Europas? Unter welchen Bedingungen sollten staatliche Investitionen in dieser Größenordnung getätigt werden? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.
Es braucht einen grundlegenden Plan für Europas digitale Zukunft. Welche digitale Zukunft will Europa? Welche Rolle soll KI darin spielen? Und wer gestaltet diese Zukunft mit? Eine erste Maßnahme: Endlich faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Die Konzentration des Marktes muss aufgebrochen werden, statt sie durch öffentliche Gelder weiter zu fördern. Das erfordert politischen Mut – auch im Angesicht einer möglichen US-Vergeltung. Letztendlich muss Europa ein Innovationsumfeld schaffen, in dem neue Ideen gedeihen und wachsen können – radikale Ideen wie Modelle, die zum Beispiel viel weniger Ressourcen und Rechenleistung brauchen. Milliarden in KI-Infrastruktur zu investieren, ist ein bequemer und letztendlich schädlicher Weg, der den Status quo weiter zementiert. Das schadet Europas Interessen.
Frederike Kaltheuner ist eine selbstständige Expertin und Beraterin für die Überschneidung von neuen Technologien, Politik und Recht. Sie ist außerdem Senior Lead für Europa und Global Governance beim AI Now Institute, einem Thinktank für politische Forschung in New York.
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