Strikte Regeln und eine unnachgiebige Rechtsprechung sorgten dafür, dass sich die englische Zivilgesellschaft aus der Geiselhaft der Fußballfans befreien konnte © pixabay.com

So er denn Anfang 2020 tatsächlich kommt, könnte der Brexit nicht bloß politische und ökonomische Folgen haben. Der englische Fußballverband FA sieht den EU-Austritt als Gelegenheit, die Karrierechancen heimischer Talente durch eine verschärfte Quotenregelung zu erhöhen. Zudem befürchten FA-Offizielle, dass die Polizei in den verbleibenden EU-Staaten künftig besonders hart gegen englische Fans vorgehen könnte.

Eigentlich läuft derzeit alles nach Maß für den englischen Fußball. So waren etwa die Endspiele von Champions League und Euro League in der letzten Saison fest in englischer Hand. Auch die Nationalmannschaft hat sich unter Trainer Gareth Southgate konsolidiert. Dank Stars wie Jessie Lingard, Raheem Sterling und Jadon Sancho führt England derzeit seine Qualifikationsgruppe für die EM 2020 an und wird hinter Frankreich sogar als aussichtsreichster Titelkandidat gehandelt.

Sogar das Problem mit den berüchtigten Hooligans konnten FA und die staatlichen Sicherheitskräfte dank eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs in den Griff kriegen.

Strikte Regeln und eine unnachgiebige Rechtsprechung sorgten dafür, dass sich die englische Zivilgesellschaft aus der Geiselhaft der Fußballfans befreien konnte, wie die “FAZ” seinerzeit schrieb. So wurde beispielsweise Alkoholkonsum nicht bloß im Stadion, sondern auch auf dem Weg dorthin mit öffentlichen Verkehrsmitteln untersagt, Stehplätze abgeschafft und Regelbrecher mit mehrjährigen Stadionsperren bzw. Reiseverboten bestraft.

Dass der englische Fußballverband dennoch mit Sorge auf Großereignisse wie die kommende Europameisterschaft blickt, hat andere Gründe. Die FA befürchtet, dass die Polizei auf dem Kontinent angesichts der vergifteten Atmosphäre rund um das Dauerthema Brexit künftig mit besonderer Härte gegen die Fans von der Insel vorgehen könnte. Einen Vorgeschmack darauf gab es nach Ansicht des Verbandes am Rande der Nations League-Endrunde im Sommer dieses Jahres in Portugal.

Bei dem Kurzturnier war es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen randalieren Engländern und lokalen Sicherheitskräften gekommen. Vertreter von FA sowie englischer Polizei wollen die Vorfälle dennoch nicht als Rückkehr zu den “schlechten alten Zeiten” verstanden wissen, sondern als Ergebnis übermäßigen Alkoholkonsums auf Seiten der Fans.

Schwächung der Premier League durch Quotenregelung?

Unterdessen drohen der Premier League, einem der größten britischen Exportschlager überhaupt, durch den Brexit auch sportliche Konsequenzen. Spieler aus EU-Ländern könnten dann nicht mehr ohne Einschränkung für einen Klub aus dem Vereinigten Königreich auflaufen. Für sie würden dieselben Kriterien gelten wie derzeit für nichteuropäische Ausländer. Bei ihnen richtet sich die Erteilung einer Arbeitserlaubnis unter anderem nach der Weltranglistenposition ihres Herkunftslandes und der Zahl absolvierter Länderspiele. Berechnungen zufolge hätten demnach in der vergangenen Saison rund 100 Spieler aus EU-Ländern keine Arbeitsgenehmigung für die Premier League erhalten.

Das aktuelle Regelwerk war nicht zuletzt auf Drängen der FA zum Schutz einheimischer Spieler eingeführt worden. Der Verband möchte den Brexit nun nutzen, um den eigenen Nachwuchs mit einer verschärften Quotenregelung weiter zu stärken. Anstelle von bisher acht in England ausgebildeten Spielern in den 25-Mann-Kadern der Erstligisten sollen zukünftig pro Verein mindestens zwölf Eigengewächse unter Vertrag stehen, berichtet “Spiegel online”.

Noch ist unklar, auf welche Regelungen sich FA und Premier League letztlich verständigen werden. Je nach konkreter Ausgestaltung könnte es vor allem finanzschwächere Vereine treffen, deren ausländische Leistungsträger sich dann einen neuen Arbeitsplatz außerhalb des Vereinigten Königreichs suchen müssten.

Sepp Spiegl

- ANZEIGE -