Europa auf den Spuren der Mönche entdecken
Europäisches Kulturerbe-Siegel im Fokus: Ein „Weg der Zisterzienser“ soll 18 Klöster in sechs europäischen Ländern auf über 5.000 Kilometern verbinden – und dabei auch durch Ostbayern führen.
Klöster und ihr Wirken neu im Blick: Der Orden der Zisterzienser hat seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert Spuren in den Landschaften hinterlassen. Von Burgund aus ließen sich die Zisterzienser in ganz Europa nieder, errichteten Klöster in der Einsamkeit sumpfiger Täler, kultivierten und besiedelten Land. Die Klosterlandschaften weisen noch heute viele Merkmale auf, die an den Einfluss der Mönche erinnern. Eine der Regionen, die die Zisterzienser nachhaltig prägten, ist das ostbayerische Stiftland in der bayerisch-böhmischen Grenze – mit dem Kloster Waldsassen, das einst religiöser und kultureller Mittelpunkt der gesamten Region war.
Das Projekt „Cisterscapes – Cistercian Landscapes connecting Europe“, „Zisterziensische Landschaften verbinden Europa“, ist das erste multinationale Antragsverfahren auf das Europäische Kulturerbe-Siegel. Partner aus insgesamt fünf europäischen Staaten, neben Deutschland sind das Österreich, Polen, Tschechien und Slowenien, sollen die Einheit der Zisterzienser in der Vielfalt ihres Wirkens darstellen. Dabei geht es darum, wie die landschaftsprägenden Arbeiten und die Vernetzung der Zisterzienser einen Einfluss auf die europäische Geschichte genommen werden. Es soll neu erlebbar gemacht werden, welcher große Einfluss von den Zisterzienser-Mönchen ausging.
Im ostbayerischen Waldsassen macht ein interaktives Landschaftsmodell die Zisterzienser als Landschaftsgestalter schon jetzt erlebbar: In einem Pavillon am Basilikaplatz in Waldsassen können Besucher auf einer großen Karte mittels der Cisterscapes-App auf ihrem Smartphone das Stiftland entdecken. In einzigartigen, detailgetreuen 3-D-Modellen lassen sich die Stiftsbasilika, die Zisterzienserinnen-Abtei und die Dreifaltigkeitskirche Kappl sehen. Typische Aspekte der Kulturlandschaftsnutzung und Umgestaltung werden intuitiv und anschaulich dargestellt.
Ein „Weg der Zisterzienser“ ist das Ziel des transnationalen LEADER Kooperationsprojekts zur Bewerbung um das länderübergreifende Europäische Kulturerbe-Siegel von 18 Zisterzienserklöstern in sechs Ländern. Er soll als Wegenetz mit einer Länge von fast 5.000 Kilometern die Klosterlandschaften auf europäischen Fernwanderwegen von Ost nach West verbinden und damit die Wege der Zisterzienseräbte im Mittelalter nachzeichnen, die einmal jährlich ins burgundische Cîteaux, ihr Mutterkloster, zum Generalkapitel reisten.
Die Planungen sehen aktuell einen drei Linien umfassenden Wanderweg vor. Die Nordlinie führt von Kloster Wagrowiec in Polen über Loccum bei Hannover, nach Frankreich. Über die Zentrallinie können die Klosterlandschaften Velehrad, Ždár nad Sázavou und Plasy in Tschechien über Stiftland/Waldsassen, Langheim und den historischen Knotenpunkt Ebrach im Steigerwald mit Bronnbach über Maulbronn bis zum Höhe- und Endpunkt des Weges in Cîteaux erwandert werden. Die slowenischen Zisterzienserabteien Kostanjevica na Krki und Sticna liegen auf der Südlinie, die weitere attraktive Ziele, wie die Kulturlandschaften um die Stifte Rein und Zwettl in Österreich und Vyšší Brod in Böhmen erschließt. Die gesamte Strecke sucht dabei immer wieder die Nähe zu sogenannten Altstraßen, den mittelalterlichen Handels- und Reisewegen der Äbte und Mönche.
Zisterziensische Klosterlandschaften zeugen noch heute von der Beteiligung des bedeutendsten mittelalterlichen Ordens bei der Schaffung des heutigen Europas, heißt es von den Initiatoren. Die europaweit einheitliche Siedlungsweise und Landschaftsnutzung der Zisterzienser soll deshalb europäisches Kulturerbe werden.
„Mit dem ‚Weg der Zisterzienser‘ lassen wir dieses Kulturerbe lebendig werden,“ sagt beispielsweise der Bamberger Landrat Johann Kalb, der in diesem Projekt auch die Möglichkeit sieht, regionale Produkte und den Tourismus zu fördern. Noch heute besonders interessant sind die „Außenstationen“ der Klöster in der Landschaft, die sogenannten Grangien, die als hochspezialisierte Produktionsstätten in Eigenbetrieb nicht nur das Kloster versorgten, sondern mit ihren Überschüssen für Handelsware wie Wein, Getreide, Holz oder Obst sorgten. Im Barock wurden sie häufig zu stattlichen Amtssitzen des Klosters ausgebaut.
Der „Weg der Zisterzienser“ soll dieses oft unbekannte, versteckte Erbe erwanderbar machen. Auf den Spuren der Handels- und Reiserouten durchquert der „Weg der Zisterzienser“ Europa und folgt nicht nur der Tradition der Äbte auf dem beschwerlichen Weg nach Cîteaux, sondern zeigt auch die Verbindungen der Klöster untereinander auf. Die Zisterzienser legten so ein Netz von Klöstern, Wirtschafts- und Stadthöfen und Wegen über Europa – ein Netz, das zur Transportstrecke von Spiritualität und Kunst, aber vor allem von technischen und landwirtschaftlichen Innovationen wurde.