Rezension von Dr. Aide Rehbaum

Jojo Moyes, Ein ganz neues Leben, Wunderlich 2015

Das Buch ist als Fortsetzung eines Bestsellers geschrieben. Das Ende lässt vermuten, dass die Autorin am dritten Band sitzt. Ich bezweifle aber, dass viele Leser

Jojo Moyes
Jojo Moyes

bei der Stange bleiben. Es ist ja oft so, dass die Ideen in ein Werk fließen und der zweite Aufguss fade ist.

Ich bin unvorbelastet vom ersten Buch herangegangen, erwartete hauptsächlich Trauerarbeit und war neugierig auf Spannung und Herz-Schmerz-Verarbeitung. Die Gratwanderung zwischen Schnulze und echtem Tiefgang ist nur zum Teil gelungen.

Louisa, eine junge Frau, schleudert ziellos durchs Leben, zum einen weil sie um ihren letzten Arbeitgeber, einen Querschnittsgelähmten namens Will, trauert, in den sie sich verliebt hatte. Bei dessen betreutem Selbstmord in der Schweiz (Dignitas) war sie anwesend.

Der Roman schildert, wie sie mit ihrer Trauer umgeht (Trauer-Selbsthilfegruppe, Reisen durch Europa, Schichtdienst in einer Flughafenbar, Wohnen zwischen Kisten in einer minimal möblierten Eigentumswohnung in London). Sie pendelt zwischen Groll auf ihn und auf sich selbst. Darüber hinaus war sie aber schon als sie sich als Pflegerin bei Will bewarb, aus der Bahn geworfen, weil als Jugendliche vergewaltigt, und verdankt Will Überlebenstipps.

Eines Tages steht ein Teenager vor ihrer Tür und behauptet, Wills Tochter zu sein. Dieses Mädchen –wie auch andere Figuren- vereint sämtliche Klischees in sich, die man über reiche vernachlässigte Gören ansammeln kann (Drogen, Schule schwänzen, Provokation, Rücksichtslosigkeit , Disco , Sex etc.) Will wusste nichts von ihrer Existenz, da er ihre Mutter so mies behandelt hat, dass die ihm nach der Trennung nie davon berichtete.

Cover_Moyes_Ein-ganz-neues-Leben_ArticleWideDie Ich-Erzählerin Louisa lässt sich völlig überrollen, nimmt die Unbekannte auf, weil sie zum einen eine verwandte Seele in ihr erspürt, zum anderen meint, das sei ein Auftrag des Vaters aus dem Jenseits. Sie versucht, obwohl selbst nicht erwachsen und erzieherisch völlig unerfahren, der Schwererziehbaren, die auf der Suche nach dem richtigen Vater ist, die Familie zu verschaffen und stellt Kontakte zu den Großeltern her.

Nach einigem Hin und Her, bei dem der Leser sich die Haare rauft, wie man sich sowas ausdenken kann, endet alles mit Friede, Freude, Eierkuchen (Schulbesuch wird wieder aufgenommen, Oma ist glücklich, Ferienjob gelingt, Erpressung beendet, Pornofoto gelöscht, Handy zerstört, böser väterlicher Freund geschockt). Louisa gesteht sich ein, dass sie ihr Leben genießen darf , ohne zur Verräterin an dem Verstorbenen zu werden.

Ihr neuer Freund Sam bestärkt Louisa, die keinerlei Ausbildung hat und auch nicht den Bedarf verspürt, sogar darin, einen gut bezahlten Job in New York anzunehmen (Haushälterin), das heißt die Themen Selbstverwirklichung, Rollenmuster, Feminismus werden auch noch aufgegriffen.

Es hätte der Geschichte gut getan, sich auf weniger Themen zu beschränken und die konkreter auszuleuchten. Der Schreibstil ist locker, die Handlung weitgehend voraussehbar und die Figuren schablonenhaft, was die Spannung reduziert. Das Argument, das Leben sei manchmal so, ist keines, da Literatur gerade den außergewöhnlichen Blickwinkel oder Charakter vorführen sollte. Die Gefühle und ihr körperlicher Ausdruck werden beschrieben, zum Mitfühlen reizen sie stellen- und ansatzweise.