Im eigenen Land keine Heimat mehr?
Christen in Nordsyrien in schwieriger Lage
„Da wir uns den gesegneten Feiertagen Weihnachten und Silvester nähern, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. Wir haben Ihnen unsere christlichen Familien anvertraut, die aus den Gebieten Ras al-Ayn, Afrin und weiteren vertrieben wurden. Ihre Hilfe wird benötigt. Obwohl das Erzbistum sich unermüdlich um sie kümmert, stellt die schwierige wirtschaftliche Lage noch immer eine schwere Belastung für uns dar. So sind es vor allem Studierende und arme Familien, die besonders unter dieser Situation leiden. Wir bitten Sie daher um Ihre Hilfe und Unterstützung für jene, die es am meisten brauchen. Mögen Sie weiterhin eine Quelle der Hoffnung für die Armen und Bedürftigen sein.“ Auszug aus einer Email von Erzbischof Maurice Amsikh von Dschasira und Euphrat mit Sitz in Al-Hsaka an die in Frankfurt am Main ansässige Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) im November 2025
Nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 riss die als Terrororganisation bekannte HTS (Hayat Tahrir al-Sham – Komitee zur Befreiung der Levante) unter ihrem Führer Anführer Abu Mohammed Al-
Dscholani – er nennt sich jetzt Ahmed al-Sharaa – die Macht an sich. Wenngleich er seine Terrormiliz mit harter Hand geführt hat, so wird er selbst aufgrund seiner Herkunft – sein Vater galt als Gegner des radikalen Islam – eher dem gemäßigten Islam zugeordnet. Al-Sharaaa betont, dass er ein Syrien für alle Bürger schaffen wolle, ‚das mit der Historie und der Natur der Region übereinstimmt‘. Doch es sind Zweifel aus unterschiedlichen Gründen angebracht, ob er Syrien in eine moderne Zukunft führen kann, in der die Menschenrechte geachtet werden: Am 13. März 2025 wurde eine neue – wenngleich provisorische – Verfassung proklamiert, laut der alle Bürger unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit, Geschlecht und ethnischer Identität gleiche Rechte haben. Die Freude beim Lesen währt nur kurz, denn sie gilt unter der Bedingung, dass die Sharia (das islamische Recht) Quelle der Gesetzgebung ist. Die andere Unsicherheit betrifft die Frage, wie viel Macht al-Sharaa als Übergangspräsident tatsächlich in seinem Land hat und wo ihre Grenzen sind. Im Nordosten des Landes haben kurdische Streitkräfte, bekannt als die Syrischen Demokratischen Kräfte die Kontrolle übernommen, wo sie in den letzten Jahren die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) strikt bekämpft haben. Sie haben kein Vertrauen in die Regierung al-Sharaas, die zur Schlichtung der Auseinandersetzungen zwischen den religiösen Minderheiten der Drusen und der Beduinen in der Provinz Suwaida Militär entsandte und damit den Streit erst recht schürte.
Gerade in der Region al-Hasaka ist die Unruhe groß: In dem dortigen Hochsicherheitsgefängnis, das immer wieder von versprengten IS-Zellen angegriffen wird, waren Ende vergangenen Jahres noch etwa 12.000 IS-Kämpfer untergebracht. Und das weiter im Nordosten liegende Lager al-Hol beunruhigt moderate Muslime und Angehörige nichtmuslimischer Minderheiten gleichermaßen: Die Zahl der IS-Kämpfer wächst, die aus den Haftanstalten verschwinden, durch Überfälle und Anschläge auf Gefängnisse befreit werden und sich als „Schläfer“ unter die Bevölkerung mischen. Kurdische Wärter des Lagers al-Hol berichten, bei einer Razzia geheime Waffendepots und Tunnel entdeckt zu haben. Es wachse zudem eine neue Generation von IS-Kämpfern heran: Dort geborene Kinder würden systematisch islamisiert und zum Töten ausgebildet.
Zum syrisch-orthodoxen Bistum von Dschasira und Euphrat zählten vor dem Bürgerkrieg in Syrien etwa 50.000 bis 60.000 Gläubige, heute sind es nur noch die Hälfte. Waren es während des Bürgerkriegs überwiegend junge Männer, die das Land aus Angst vor der Einziehung zum Militär verließen, so sind es jetzt junge Familien aus Sorge um die Zukunft und Freiheit ihrer Kinder unter einem islamischen Regime. Während die einen fliehen bzw. auswandern, lassen sich christliche Flüchtlinge aus den kritischen Regionen wie Afrin und Ras al-Ayn in al-Hasaka nieder. Sie haben kaum Aussicht, angesichts der miserablen wirtschaftlichen und der neuen politischen Umstände heimisch zu werden. Ohne Arbeit und Einkommen sind sie von der Fürsorge des Bistums abhängig.
Im vergangenen Jahr hatte ein Mitarbeiter der IGFM auf Empfehlung des Bischofs 300 Familien besucht, je zur Hälfte Flüchtlinge und arme ansässige Familien. Jede Familie erhielt ein Lebensmittelpaket und ein Paket mit Hygiene-Artikeln. Alle waren unendlich dankbar, dass jemand den Weg bis in den Osten Syriens gefunden hat, um zu helfen und durch diese Aktion gerade zu Weihnachten den Blick auf die Lage der bedrängten Christen zu lenken. Auch in diesem Jahr wird die IGFM helfen.
Wer diese Aktion unterstützen will, jede Spende ist herzlich willkommen.
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