Der Tag, an dem die Oberpfalz chinesisch tickt
Seit dem 19. Jahrhundert gelten die Dietfurter als die „Chinesen Bayerns“. Am 8. Februar erleben die Besucher der Oberpfälzer Stadt wieder, warum das so ist: Ostbayerns Faschingshochburg feiert auch 2024 ganz im Zeichen des Reichs der Mitte.
Dietfurt an der Altmühl (obx) – 364 Tage im Jahr regiert in der 6.000-Einwohner-Stadt Dietfurt – rund 50 Kilometer westlich von Regensburg – die Beschaulichkeit. Dann erfreuen sich die Touristen am siebenstimmigen Glockengeläut der Stadtpfarrkirche St. Ägidius, bestaunen die barocke Wallfahrtskirche und das Franziskanerkloster. Einmal im Jahr jedoch versetzt eine „Revolution“ das oberpfälzische Kleinod in Ausnahmezustand: Dann wird aus dem Erholungsort im Altmühltal für einen Tag ein Teil des mehr als zehn Flugstunden entfernten Reichs der Mitte. Immer am „Unsinnigen Donnerstag“ in der Faschingszeit verwandelt sich die Stadt in „Bayerns Chinatown“. Tausende Besucher aus ganz Deutschland werden sich auch in diesem Jahr am 8. Februar die chinesische Invasion ins bayerische Kernland nicht entgehen lassen.
Der Chinesenfasching im ostbayerischen Dietfurt an der Altmühl ist ein Kuriosum. Das Kultevent ist über die Grenzen der Region hinaus bekannt und bringt bis zu 20.000 Besucher in die Sieben-Täler-Stadt. Vom Rathaussessel bis zur Müllabfuhr, vom Restaurant bis zum Supermarkt – alles ist fest in chinesischer Hand. Dietfurts Bürger, ob groß, ob klein, schlüpfen in chinesische Tracht, stecken sich China-Zöpfe ins Haar und die Drogerie mit der gelben Hautschminke hat Hochkonjunktur.
Eine Anekdote erzählt den Ursprung des verrückten Treibens, das den Dietfurtern den Titel „Bayerische Chinesen“ einbrachte. Demnach soll irgendwann in der Stadtgeschichte der Steuereintreiber des Bischofs in das Städtchen gereist sein, um höhere Abgaben einzutreiben. Die Nachricht vom Besuch gelangte aber vor dem Steuereintreiber in die Stadt. Die Bürger verbarrikadierten die Tore und der Gesandte des Bischofs musste ohne Geld abziehen. Seinem Bischof erzählte er dann: Die verstecken sich hinter ihrer Mauer wie die Chinesen.
Ob die Erzählung stimmt, weiß auch in Dietfurt keiner so genau. Verbürgt ist aber ein Kalender von 1860 und eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 1869, wo bereits damals die Dietfurter als Chinesen bezeichnet wurden und von einem Chinesen-Viertel die Rede ist. Der Grundstein für die Faschingstradition wurde aber erst 1928 gelegt, als die Stadtkapelle erstmals in China-Gewändern auftrat. Mit der Wahl des ersten Kaisers beim Festzug im Jahr 1954 wurde der Dietfurter Fasching, wie er bis heute am Unsinnigen Donnerstag gefeiert wird, gegründet.
Der Ablauf des lokalen „Nationalfeiertages“ ist genau festgelegt: Am Unsinnigen Donnerstag, heuer am 8. Februar 2024, werden die Dietfurter in den frühen Morgenstunden mit einem Weckruf aus dem Bett geholt. Ab 13 Uhr stimmen sie sich auf der großen Stufenbühne in der Altstadt mit Musik auf den Chinesenfasching ein, bevor ab 13.61 Uhr der riesige Maskenzug mit aufwendig dekorierten Wagen und Fußgruppen sowie mehreren Musikkapellen die Straßen Dietfurts in Ausnahmezustand versetzt. Wenn die Gruppen zum Stadtplatz zurückkehren, beginnt am Rathaus die große Podiumsgaudi. Und danach? Die maskierten Narren feiern in Dietfurts Gasthäusern bis in die frühen Morgenstunden.
Für alle, die mehr über Dietfurt und den Chinesenfasching erfahren möchten, bieten Dietfurter Gästeführer am Unsinnigen Donnerstag Stadtführungen durch Bayrisch China an. Die Stadtführer zeigen dabei die schönsten Flecken von Dietfurt mit der ehemaligen Stadtmauer, die den Einwohnern der Stadt den Beinamen „Dietfurter Chinesen“ einbrachte. Beginn der Führung ist um 10 Uhr am Chinesenbrunnen. Für Gruppenführungen kann die Zeit nach Wunsch festgelegt werden.
Mehr Informationen: www.dietfurt.de