Rezension von Dr. Aide Rehbaum

www.kreativ-schreibstudio.de

 

Karin B. Redecker: Das Glück wohnt in Lissabon

Der Eyecatcher für dieses Buch war das Foto einer Kinderschar von etwa 1911. Sofort entstand die Frage, was die porträtierte Frankfurter Familie während der Kaiserzeit veranlasste, nach Portugal auszuwandern? Die Autorin war sogar vor Ort auf Spurensuche und hat erfolgreich nach Schauplätzen, Arbeitgebern und Zeitzeugen ihrer Schwiegerfamilie gesucht. Entsprechend sind Fotos der Firmengeschichte eingefügt. Diese Familiengeschichte hat Potential für einen Roman.

Wenn Dinge unmittelbar passieren, die sich – geheimnisvoll oder bedrohlich – lange vorher ankündigen, womöglich sogar in Landschafts- oder Witterungsdetails verpackt, dann fiebert der Leser mit. Redecker entschied sich für den Stil einer Familienchronik, d.h. eine Erzählerin beschreibt einen Ablauf und erzeugt Distanz. Mit Konflikten jeglicher Art zwischen Gesellschaftsschichten, Rollenerwartungen oder aus politischen Gründen lässt sich Spannung im Text allmählich steigern. Bei vorliegenden Protagonisten läuft zunächst nichts schief. Für die Ehefrau mag vielleicht die Welt aus heiterem Himmel zusammengebrochen sein, aber geschäftlich muss es vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Sorgen, Gerüchte, Ängste unter den Arbeitern, Zeitungsmeldungen, (fiktive) Briefe etc. gegeben haben, die ein Wechselbad der Gefühle erzeugten. Interessant wäre die iberische Sicht, da über die ein deutscher Leser kaum Vorkenntnisse hat. Der frühe Tod des Familienvaters erzwingt die Rückkehr nach Deutschland. Das muss doch Verzweiflung, Depressionen, mindestens Diskussionen ausgelöst haben! Allein die Reise per Zug durch Länder im Kriegszustand muss chaotisch gewesen sein, zumal für eine Witwe mit Kindern, die vorher nie etwas allein organisiert hat.

Man spürt die Hemmungen der Autorin, Situationen und Dialoge dramatisch zu rekonstruieren, die sicher stattgefunden haben, aber eben nicht überliefert sind. Das ist eine typische Schwierigkeit beim Schreiben wahrer Lebensgeschichten, zumal wenn es sich um Angehörige dreht.

Der Text ist locker geschrieben, übliche Metaphern und gewohnte Redewendungen erleichtern den Zugang. Der Roman ist gewaltfrei, leicht verständlich und verlangt wenig psychologisches Verständnis. Ein sorgfältiges Lektorat hätte etliche Fehler eliminiert.

 

Neopubli GmbH

ISBN: 9783753168319

Format: Taschenbuch

Seiten: 264

Erscheinungsdatum: 26.02.2021

www.epubli.de

- ANZEIGE -