Deutsche Redewendung „Das kommt nur alle Jubeljahre vor“.
von Sepp Spiegl
Die Redewendung „Das kommt nur alle Jubeljahre vor“ wird im Deutschen gebraucht, um ein Ereignis zu kennzeichnen, das extrem selten eintritt. Wer diesen Ausdruck verwendet, will betonen, dass etwas so ungewöhnlich
ist, dass man kaum mit einer Wiederholung rechnen kann. Dabei handelt es sich nicht um eine wörtliche Zeitangabe, sondern um eine bildhafte Übertreibung, die oft mit einem ironischen Unterton verbunden ist. Die Wendung gehört heute selbstverständlich zum allgemeinen Sprachgebrauch und wird in alltäglichen Gesprächen ebenso verwendet wie in journalistischen Texten oder literarischen Darstellungen.
Ihre Wurzeln liegen jedoch weit zurück und sind eng mit religiösen und gesellschaftlichen Vorstellungen des alten Israel verbunden. Der Begriff „Jubeljahr“ stammt aus dem Hebräischen, vom Wort „jobel“, das ursprünglich das Widderhorn bezeichnete. Mit diesem Horn wurde ein besonderes Jahr ausgerufen, das im Alten Testament, genauer im Buch Levitikus, ausführlich beschrieben wird. Dieses Jubeljahr folgte einem festen Rhythmus: Nach jeweils sieben Sabbatjahren, also nach sieben mal sieben Jahren, wurde im fünfzigsten Jahr ein feierlicher Neubeginn verkündet. Schon diese lange zeitliche Abfolge macht deutlich, dass es sich um ein äußerst seltenes Ereignis handelte, das ein Mensch oft nur ein einziges Mal im Leben erleben konnte.
Das biblische Jubeljahr hatte eine tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Bedeutung. In diesem Jahr sollten Schulden erlassen, Schuldsklaven freigelassen und Grundstücke, die aus wirtschaftlicher Not verkauft worden waren, an ihre ursprünglichen Familien zurückgegeben werden. Ziel war es, soziale Ungleichheiten zu begrenzen und zu verhindern, dass sich Besitz und Macht dauerhaft in den Händen weniger ansammelten. Das Jubeljahr stand somit symbolisch für Gerechtigkeit, Ausgleich und einen radikalen Neuanfang. Gerade weil diese umfassenden Veränderungen nur in sehr großen Zeitabständen vorgesehen waren, prägte sich das Jubeljahr früh als Sinnbild für etwas Außergewöhnliches und Seltenes ein.
Im Verlauf der Jahrhunderte wurde der Begriff auch außerhalb des rein religiösen Kontexts bekannt. Besonders durch kirchliche Traditionen im Christentum, die den Gedanken des Jubeljahres aufgriffen, blieb der Ausdruck lebendig. In der katholischen Kirche wurden sogenannte Heilige Jahre oder Jubiläumsjahre ausgerufen, die ebenfalls nur in größeren Abständen stattfanden und mit besonderen religiösen Handlungen verbunden waren. Auch weltliche Jubiläen, etwa Herrscher- oder Stadtjubiläen, trugen dazu bei, dass der Begriff „Jubeljahr“ zunehmend mit etwas Feierlichem, Besonderem und Seltenem assoziiert wurde.
Mit der Zeit verlor der Ausdruck seinen konkreten zeitlichen und religiösen Bezug und wandelte sich zu einer festen Redewendung. In der Alltagssprache wurde aus dem realen Jubeljahr ein sprachliches Bild für extreme Seltenheit. Wenn etwas „nur alle Jubeljahre“ geschieht, dann nicht unbedingt alle fünfzig Jahre, sondern so selten, dass es beinahe aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fällt. Dieser Bedeutungswandel ist typisch für viele Redewendungen, deren ursprünglicher Hintergrund im Laufe der Zeit in den Hintergrund tritt, während die bildhafte Aussagekraft erhalten bleibt.
Vergleichbare Redewendungen im Ausland
Viele Sprachen kennen ähnliche Ausdrücke, die extreme Seltenheit beschreiben – oft mit ganz eigenen Bildern:
Englisch
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“Once in a blue moon”
(Ein Ereignis, das nur bei einem seltenen zweiten Vollmond im Monat vorkommt.)
Französisch
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“Tous les trente-six du mois”
(Wörtlich: „am sechsunddreißigsten des Monats“ – ein unmöglicher Termin.)
Spanisch
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“De uvas a peras”
(„Von Trauben zu Birnen“ – etwas, das nur sehr unregelmäßig passiert.)
Italienisch
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“Ogni morte di papa”
(„Bei jedem Tod eines Papstes“ – also äußerst selten.)
Niederländisch
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“Eens in de zoveel tijd” oder bildhafter
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“Als Pasen en Pinksteren op één dag vallen”
(Wenn Ostern und Pfingsten auf denselben Tag fallen.)
Insgesamt ist „Das kommt nur alle Jubeljahre vor“ ein anschauliches Beispiel dafür, wie historische und religiöse Vorstellungen bis heute in der Sprache weiterleben. Auch wenn der ursprüngliche Hintergrund kaum noch bewusst ist, hat sich die Redewendung als fester Bestandteil des deutschen Sprachgebrauchs etabliert und erfüllt nach wie vor ihren Zweck, außergewöhnliche Ereignisse prägnant und wirkungsvoll zu beschreiben.



