von Dieter Weirich

Dieter Weirich ©seppspiegl

Weil Springkraut bei der leisesten Berührung die Blätter zusammenfaltet, seine Früchte zerplatzen und Samen aus der Kapsel schleudern, wird es in der Flora auch „Rühr mich nicht an“ genannt. In hoher Dosierung wird die im frischen Zustand giftige Pflanze auch als Brechmittel verwandt. Parallelen aus der Pflanzenwelt zum aktuellen politischen Geschehen, wo die AfD zur toxischen Gefahr für die Demokratie hochstilisiert wird, sind nicht zu übersehen.

Ein Schlüsselbegriff für die Ausgrenzung der Rechtspopulisten heißt „Kontaktschande“, ein vom ehemaligen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in die politische Diskussion gebrachter Begriff. Hatte der zurückgetretene Funktionär dieses Wort nach einem lausigen Wahlergebnis auf mit den Grünen und der FDP fremdelnde Wähler bezogen, so jazzt inzwischen die „demokratische Mitte“, oft im Verein mit Linkspopulisten, jedes Foto von einer Geburtstagsparty, wo sich Personen der Öffentlichkeit mit AfD-Sympathisanten zeigen, zum Skandal der Kontaktschande hoch. Bestimmte Magazine filtern in Detektivmanier die Anwesenheitslisten solcher Events, Prominente müssen die soziale Stigmatisierung fürchten, schon die Auswahl von Freunden lässt angeblich tief blicken.

Politisch geschürte Angst vor Ansteckung ,die sogenannte „Kontaktschuld“, hat es in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte in der Auseinandersetzung mit Radikalen ebenso gegeben wie bei der McCarthy-Hexenjagd in der USA. Die Stasi hat im Unrechtsstaat der DDR mit dieser Methode Menschen unter Druck gesetzt.

Welch kuriose Blüten das Ideal der Kontaktunschuld treibt, zeigt die abschätzige Bemerkung des grünen Bundestagsabgeordneten Kassem Taher Saleh beim Ausschluss der AfD aus der Bundestags-Fußballmannschaft, er wolle mit Nazis nicht unter einer Dusche stehen“. Das angestrebte Kicker-Verbot findet das Publikum kleinkariert, mit Pepita hält man die AfD aber nicht in Schach.

Die Fehler im Umgang mit der AfD verhindern auch die notwendige politische Auseinandersetzung mit den fragwürdigen Zielen der Partei, die es geschickt versteht, sich auf ihre Opferrolle zurück zu ziehen. Wer sich nur formalistisch abgrenzt, den Handschlag verweigert, phantasielos die Nazikeule schwingt, seine Kontaktunschuld vor sich herträgt, wird erfolglos im Kampf gegen die AfD bleiben.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.