Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Philip Hatfield: Unendlicher Pazifik

Aus dem Fundus der British Library ist ein opulent bebildertes Buch entstanden, das ohne Frage auf den ersten Blick fasziniert. Der langjährige Kurator hat sich auf englischsprachiges Material beschränkt.

Hatfields gesammelte Andeutungen machen in jedem Fall neugierig. Nur Wikipedia entschlüsselt, wenn man Glück hat, auf die Schnelle, was im Einzelnen gemeint ist, denn Fußnoten fehlen. Zitat: „Das Handelsnetzwerk des Tongaischen Reiches und die zeremoniellen Praktiken, die die Basis von Roi Matas Macht bildeten, entwickelten sich aus der kulturellen Vermischung, die durch die Verbreitung der Lapita-Völker entstand.“ (S. 18) Wir erfahren weder etwas über die genaue Ausbreitung dieses Reiches, noch über die angedeuteten Praktiken, noch etwas zur Person des Herrschers, was sich da genau mischte oder die zeitliche Einordnung. Der Text lässt einigermaßen ratlos zurück.

Trefflich streiten kann man sich über die Übersetzung von Indigenous people[s]. Der kleine Muret-Sanders erlaubt: Eingeborene und Einheimische. Die erste Übersetzungsvariante zählt im Deutschen zum Kolonialwortschatz und beinhaltet den abqualifizierenden Blickwinkel der Herrenmenschen. Würde man erste Siedler des Rheinlandes als Eingeborene bezeichnen? Die Bewohner, die von Ausländern auf den Inseln angetroffen wurden, waren auch keine Ureinwohner im engeren Sinne, wie Hatfield richtig darstellt, sondern allenfalls erste Einwanderer. Es hat rein gar nichts mit political correctness zu tun, die Begriffe im Deutschen wenigstens in Anführungsstriche zu setzen.

Die einzelnen Kapitel sind anscheinend unabhängig voneinander entstanden. Das würde die häufigen Wiederholungen ein und desselben allgemeinen Gedankens in variierender Ausdrucksweise erklären. Der Text vermittelt einen allerersten Einblick in die Weltregion Pazifik und umgeht jegliche Zusammenfassung des Forschungsstandes. Gegen Ende führt Hatfield die gegenwärtigen Probleme dieses schutzbedürftigen Lebensraums an (Umweltverschmutzung, Atomversuche, Überfischung, Klimawandel). Engländer nennen das ein Dip’n’Dive-Buch: gedippte (schmackhafte) Häppchen.

 

Dr. Phillip Hatfield promovierte über die Geschichte der kanadischen Fotografie. Er arbeitet als Kurator für die kanadischen, US-amerikanischen, australischen und karibischen Sammlungen an der British Library, wo er auch die Position des Lead Curator für Digital Mapping innehat.

 

  • Buch
  • Hardcover
  • 1024023
  • 978-3-8062-4080-1
  • 03.03.2020
  • wbg Theiss
  • 224
  • 130 Illustrationen, farbig
  • Deutsch
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