Pflege: Über Löhne entscheidet nicht die Politik
Die SPD will 30 Prozent höhere Löhne in der Pflege – damit soll ein Pflegenotstand verhindert werden. Doch über die Gehälter bestimmt nicht die Politik. Was am Ende wirklich bezahlt werden kann, entscheiden letztlich die Beitragszahler.
An vielen Wahlständen wird derzeit der angebliche Pflegenotstand thematisiert, um für eine bessere Versorgung der Kranken und Alten zu werben. Ob es wirklich so schlimm um die Pflege steht, lässt sich aber zumindest aus ökonomischer Sicht kaum beurteilen.
Dabei ist zunächst festzuhalten: Pflege ist nicht gleich Pflege – für die Altenpflege verhandeln andere Akteure als für das Pflegepersonal im Krankenhaus; und dort je nach Trägerschaft wieder unterschiedliche Arbeitnehmervertreter.
Klar ist, die Zahl der Beschäftigten in der Gesundheits- und Krankenpflege, den Rettungsdiensten und der Geburtshilfe hat zwischen 2012 und 2015 stark zugelegt, von 976.000 auf 1,042 Millionen. Dabei blieb der Anteil der Teilzeiter und geringfügig Beschäftigten mit knapp 53 Prozent annähernd konstant. Doch das allein sagt noch nichts über die Qualität der Pflege aus. Um die Diagnose „Pflegenotstand“ ausschließen zu können, bedarf es einer tiefergehenden Analyse.
Ähnliches gilt für die Altenpflege. Hier ist die Zahl der Beschäftigten zwischen 2012 und 2015 von 501.000 auf 568.000 gestiegen, die Quote der Teilzeiter und geringfügig Beschäftigten von 64 auf 65 Prozent. Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland kletterte im gleichen Zeitraum von gut 2,5 auf fast 2,9 Millionen. Das Verhältnis von Pflegefällen zu Pflegekräften entwickelt sich also auf den ersten Blick nicht so dramatisch, wie der Begriff „Notstand“ erwarten lässt. Doch auch hier bedarf es weiterer Kriterien für eine Bewertung.
Die Empfehlung des SPD-Abgeordneten Karl Lauterbach, 30 Prozent mehr für die Pflegekräfte zu zahlen, wäre aber auf jeden Fall mit erheblichen ökonomischen Nebenwirkungen verbunden.
- Würden höhere Entgelte in der Pflege durchgesetzt, bliebe die Frage, wie diese finanziert werden können. Müssen dazu die Beitragssätze zur Sozialversicherung angehoben werden, drohen bei unverändert hohen Bruttolöhnen steigende Arbeitskosten.
- Auch eine Verteilung steigender Beitragslasten auf mehr Schultern und weitere Einkommensbestandteile und –quellen belastet im Zweifel die Arbeitgeber und könnte zum Abbau von Jobs führen.
- Schließlich geraten die Interessen der jungen Beitragszahler aus dem Blick, die – im demografischen Wandel ohnehin besonders gefordert – vor allem die Finanzierungslasten zusätzlicher Leistungsversprechen schultern müssen.
Bleibt also zu hoffen, dass nach dem Urnengang wieder mehr Raum für differenzierte Diskussionen entsteht.