Am 6.Januar jährt sich zum 169.Mal der Todestag von Louis Braille. Die sogenannte Braille-Schrift ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen das Lesen. Ein Raster mit sechs Punkten, welche, in das Papier geprägt, mit dem Finger erfühlt werden, bildet die Grundlage für das System. Bei der Braille-Schrift handelt es sich um ein Alphabet-System: verschiedene Punkt-Kombinationen bilden die jeweiligen Buchstaben.

Louis Braille

Der dreijährige Louis Braille liebt die Sattlerwerkstatt seines Vaters im nordfranzösischen Dörfchen Coupvray. Obwohl es ihm verboten ist, schleicht er sich an einem Tag im Sommer 1812 in den Raum, um dort zu spielen. Dabei geschieht das Unglück: Louis versucht, wahrscheinlich mit einer Ahle, einer dicken Nadel, Löcher in ein Lederstück zu stanzen. Doch er rutscht ab und rammt sich den spitzen Metallstift ins Auge. Blutüberströmt und schreiend vor Schmerzen finden ihn seine Eltern.Man versorgt die Verletzung aber es nützt alles nichts: Das verletzte Auge entzündet sich so schlimm, dass Louis Braille bald darauf nur noch auf dem anderen sehen kann – bis die Infektion auch dieses befällt! Ein Schleier trübt nun die Sicht des Jungen, im Lauf der Zeit wird er immer dunkler. Zwei Jahre nach dem Unfall ist Louis Braille schließlich komplett erblindet.

Damit Louis die Schule besuchen konnte, brachte ihm sein Vater durch auf Holz geschlagene Tapeziernägel das Alphabet bei. Louis war ein aufgeweckter und kluger Schüler, und mit zehn Jahren darf Louis Braille an das Königliche Institut für junge Blinde im 25 Kilometer entfernten Paris wechseln, eine der ersten Blindenschulen der Welt. Was für eine Ehre! In der Bibliothek des Instituts stehen bereits einige Bücher in einer speziellen Tastschrift. Valentin Haüy, der Gründer der Schule, hat sie entwickelt: Mithilfe von Bleiklötzchen prägt er die Buchstaben der normalen Schrift in dickes Papier. So lassen sie sich mit den Fingerspitzen erfühlen. Doch die Bücher, die so für Blinde „übersetzt“ werden, sind nicht nur aufwendig herzustellen und deshalb rar. Weil das Papier dick ist und die Prägeschrift viel Platz benötigt, sind sie auch unhandlich und schwer. Viele Kinder haben außerdem große Mühe, die Buchstaben zu ertasten. Die Schüler lernen in dem Internatsgebäude an der Rue Saint-Victor daher vor allem durch die „Papageienmethode“: zuhören und wiederholen. 

Louis Braille hat die nach ihm benannte Schrift bereits im Jahre 1809 entwickelt

An der Blindenschule lernt er auch die sogenannte Nachtschrift von Charles Barbier kennen. Der Offizier der französischen Armee hat sie ursprünglich erfunden, um nachts laut- und lichtlos Befehle wie „vorwärts“ oder „Rückzug“ zu übermitteln. Die Nachtschrift besteht aus einem komplizierten System von Punkten, die in Karton gestanzt werden und für bestimmte Laute stehen.

Die meisten Schüler finden das Prinzip viel zu umständlich, nur Louis Braille ist begeistert: Punkte als Buchstaben – das scheint ihm die perfekte Idee für eine leicht lesbare Blindenschrift zu sein! Unermüdlich tüftelt, knobelt und experimentiert er fortan, um Charles Barbiers Nachtschrift zu vereinfachen. Weil er tagsüber nicht die Schule vernachlässigen will, brütet Louis Braille meist in den späten Abendstunden über den Schriftzeichen. Louis verbesserte und vereinfachte das komplizierte Konzept Barbiers. Aus der Nachtschrift mit ihren 36 französischen Lauten, dargestellt durch 16 auf dem Papier erhabene Punkte, wurde eine Alphabet-Schrift mit nur sechs Punkten. Die von dem damals erst 16-jährigen Jungen entwickelte Blindenschrift hatte den Vorteil, dass sich alle Buchstaben und Zeichen mit nur einer Fingerbewegung ertasten ließen. Dies war bei dem Konzept der Nachtschrift nicht möglich. Je nachdem, welche und wie viele der Punkte hervorgehoben sind, lassen sich mit seinem System insgesamt 63 verschiedene Zeichen darstellen: Buchstaben, Zahlen, Satzzeichen oder mathematische Symbole, später kommen auch Musiknoten dazu.

Dass seine Schrift trotzdem beinahe in Vergessenheit gerät, liegt an Pierre-Armand Dufau. Der wird im Jahr 1840 Direktor des Pariser Blindeninstituts und verbietet die Punktschrift kurzerhand. Er möchte nicht, dass blinde Menschen eigene Zeichen benutzen, die Sehende nicht verstehen. Deshalb sollen seine Schüler wieder die schlecht lesbare Tastschrift mit den erhabenen, normalen Buchstaben benutzen. Doch viele Kinder halten sich nicht an das Verbot und lernen heimlich weiterhin die Punktschrift.

Und Louis Braille, inzwischen geschwächt von der Krankheit Tuberkulose, kämpft für seine Idee. Er schreibt an den berühmten Blindenlehrer Johann Wilhelm Klein in Wien, um für seine Erfindung zu werben, und stellt sie bei einem Vortrag in Paris einem großen Publikum vor. Mit Erfolg: 1854 wird die “Brailleschrift” in Frankreich endlich offiziell anerkannt.

Louis Braille erlebt das nicht mehr: Er stirbt bereits zwei Jahre zuvor im Alter von 43 Jahren. 1878 erklärt ein internationaler Kongress in Paris die Brailleschrift schließlich zur offiziellen Schrift für den Unterricht in Blindenschulen auf der ganzen Welt. Noch heute lernen sie Millionen Menschen.

Sepp Spiegl

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