Tori & Lokita
Auf der Flucht das Leben gesucht: Zwei Jugendliche, von Afrika nach Belgien geflohen, suchen, durch Administrationen und Restriktionen behindert, die Freiheit und das Leben. Jean-Pierre und Luc Dardenne, die zwei Grossen des sozial-engagierten Films, begleiten die beiden in dem auf Tatsachen beruhenden Spielfilm «Tori et Lokita»: formal grossartig und menschlich erschütternd.
Wie üblich bieten die Dardenne Brüder mit ihren bis heute etwa zwanzig Filmen für die meisten Zuschauenden im Publikum einen naturalistischen und dramatischen Einblick in fremde Menschenwelten. So folgen wir hier mit der von Benoît Dervaux geführten Handkamera den beiden Wahlgeschwistern durch Lüttich, mal auf dem Weg zu Toris Schule, mal auf dem wöchentlichen Rundgang beim Drogenverkauf. Lokita und Tori wirken in dem, was sie tun, souverän; sie funktionieren, weil sie funktionieren müssen. Heroisch wirken sie nie, doch erschütternd, wenn die Trennung droht.
Tori (Pablo Schils) und Lokita (Joely Mbundu) lernen sich auf der Fluchtroute von Benin in Richtung Europa kennen und entschließen, letztlich, gemeinsame Sache zu machen. In Belgien wollen beide ein neues Leben beginnen. Doch da Lokitas Einreise nicht ganz legal war, müssen sie die Wahrheit etwas zurechtbiegen. Den Behörden erzählen die beiden fortan Geschwister zu sein. Nur so bleibt eine Aufenthaltsgenehmigung für Lokita noch in greifbarer Nähe. Doch schon bald wird ihnen immer weniger Vertrauen entgegengebracht. Die Behörden wollen die beiden zu einem DNA-Test drängen, um deren Geschichte auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Und so steht die Zukunft von Tori und Lokito erneut auf dem Spiel…
Tori und Lokita, zwei unbetreute Minderjährige, wie es im Amtsdeutsch heißen müsste, haben nicht nur äußere Grenzen überwunden, um nach Europa zu gelangen, sie sind auch innerlich im Übergang. Das Mädchen steht an der Schwelle zum Erwachsensein, der Junge an der zur Pubertät. Das prägt unterschwellig ihr Verhältnis, das auf dem Weg nach Norden zu einer Notgemeinschaft gereift ist. Wären sie wirklich Geschwister, hätte ihre Zuneigung vielleicht einen Hauch von Pflicht. So aber ist sie vollkommen. Von „einer unerschütterlichen Freundschaft“ wollten die Dardenne-Brüder erzählen, einer Liebe diesseits des Körperlichen und jenseits kindlicher Unschuld. Der märchenhafte Kern, der in jedem Dardenne-Film steckt, ein beinahe religiöser Glaube an die Möglichkeit des Guten, ist in dieser Konstellation aufbewahrt. Auch wenn das Märchen diesmal böse ausgeht.
Filmdaten
- Originaltitel: TORI ET LOKITA
- Produktionsland: Frankreich/Belgien
- Produktionsjahr: 2022
- Regie: Jean-Pierre Dardenne · Luc Dardenne
- Buch: Jean-Pierre Dardenne · Luc Dardenne
- Kamera: Benoît Dervaux
- Schnitt: Marie-Hélène Dozo · Valène Leroy
- Darsteller: Pablo Schils (Tori) · Joely Mbundu (Lokita) · Charlotte De Bruyne (Margot) · Tijmen Govaerts (Luckas) · Marc Zinga (Firmin)
- Länge: 88 Minuten
- Kinostart: 26.10.2023
- Fsk: ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung: – Sehenswert ab 16.
- Genre: Drama