Josef Groll (* 21. August 1813 in Vilshofen an der Donau; † 22. Oktober 1887) war ein bayerischer Braumeister. Er ist der Erfinder der Biersorte Pilsner Bier, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreut.

Josef Groll

Wir schreiben das Jahr 1838. In der westböhmischen Metropole Pilsen gibt es eine Vielzahl von Hausbrauereien, 290 brauberechtigte und zehntausende durstige Bürger. Doch die ortsansässigen Brauer produzieren nur das wenig haltbare obergärige Bier, das den Leuten nicht schmeckt. Die Qualität wird immer schlechter, bis es zu einem regelrechten Bier-Aufstand kommt. In ihrer Wut über den ungenießbaren Gerstensaft stürmen die Pilsner die Brauhäuser, klauen die Fässer, rollen sie auf die Straße und kippen die Plörre mitten auf den Stadtplatz vor dem Bartholomäusdom. Der Magistrat besänftigt die Bürger, indem er ihnen verspricht, die Sudpfannen von nun an einem Experten zu überlassen. Die Brauberechtigten beschlossen, ein neues Bürgerbrauhaus nach dem neuesten Stand der Technik zu bauen und beauftragten den Architekten Martin Stelzer, sich in Europa nach einem Braumeister umzusehen. Gebraut werden sollte in Pilsen hinfort ein Lager-Bier, das sich in Bayern erfolgreich durchgesetzt hatte
In dem aus Vilshofen stammenden Niederbayern Josef Groll fand Stelzer einen Braumeister, der über die nötigen Kenntnisse verfügte, zudem brachte Groll eine untergärige Hefe mit nach Pilsen. Außerdem entschied er sich für die Nutzung des laut „Oxford Companion to Beer“ in England entwickelten, sich indirekter Befeuerung verdankenden hellen Gerstenmalzes. Das ungewöhnlich weiche Wasser Pilsens und der berühmte Saazer Hopfen, der in unmittelbarer Nähe angebaut wurde, taten ein übriges zur Erfindung eines neuen Bierstils. Am 5. Oktober 1842 kochte Groll mit diesen Zutaten seinen ersten Sud.
Am 11. November wurde das neue Pilsner Bier dann zum ersten Mal ausgeschenkt, in durchsichtigen Trinkgläsern, die sich damals in Europa erst durchzusetzen begannen und die die ungewöhnlich goldene Farbe der neuen Biersorte zur Geltung brachten. Die Pilsener waren zufrieden – heute hat sich das helle Lager mit der anregenden Bittere als mit Abstand beliebteste Biersorte in der ganzen Welt durchgesetzt.

Wandfoto der alten Brauerei

Zurück zu Josef Groll: Über den Erfinder der Pilsner Brauart gibt es noch eine andere Geschichte. Demnach soll er schon 1839 als Lohnbrauer in Pilsen tätig gewesen sein und 1840 seinen ersten Sud kredenzt haben, bevor er wegen unflätigen Benehmens sein Aufenthaltsrecht verwirkt und 1842 schließlich wieder geholt worden ist. Und so streitet man in Pilsen bis heute darüber, wo er das erste Pilsner gebraut hat: in der Weltbrauerei Prazdroj oder in einer kleinen, unscheinbaren Gasthausbrauerei am Rande der Altstadt. Die Besitzer derselben jedenfalls sind von ihrer Sicht der Dinge so überzeugt, dass sie ihr Haus nach ihm benannt haben: Pivovar Josef Groll.
Groll selbst verlor bereits 1845 seinen Posten, angeblich wieder wegen seiner rüpelhaften „bairischen“ Manieren und kehrte nach Vilshofen zurück.

Entstehungsgeschichte des Pils

In Pilsen wurde das sogenannte Oberhefenbier obergärig gebraut. Jedoch war die Qualität des Bieres schlecht und nicht trinkbar. Die brauberechtigten Bürger Pilsen verpflichteten den jungen Architekten Martin Stelzer mit dem Bau einer modernen Brauerei. Am Ufer des Radbuza-Flusses legte Stelzer 1839 den Grundstein für das Bürgerliche Brauhaus. Josef Groll trat im Frühjahr 1842 in Pilsen seinen Posten als Braumeister im Bürgerlichen Brauhaus an und leitete gleich die erforderlichen Arbeiten bei der Einrichtung des Brauhauses.

Bierwagen in den 1930er Jahren

Am 4. Oktober 1842 weihte man die Brauerei ein, tags darauf nahm man die Produktion auf und nach wenigen Wochen präsentierte Josef Groll sein neues Bier. Er kombinierte die bayerische untergärige Braumethode mit heimischen Ingredenzien, einer zweireihigen feinhülsigen Gerste und dem berühmten tschechischen Saaz-Hopfen. Vermischt mit dem extrem weichen Wasser aus der Region war das Ur-Pils geboren. Am 11. November 1842 wurde es erstmals in den Pilsener Gasthöfen Zum Goldenen Adler, Zur weißen Rose und Hanes ausgeschenkt. Das feine, spritzige Bier mit seiner goldgelben Farbe und seiner weißen Schaumkrone, der bitter-aromatischen Hopfennote und seinem abrundenden, leicht karamellartigen Malzton kam außerordentlich gut an.

Wolferstetter Josef Groll Pils

Es gab viele Nachahmer. Deshalb ließ man sich 1859 die Marke „Pilsner Bier“ als Warenzeichen schützen. Insgesamt trugen bis 1900, also fast sechs Jahrzehnte lang, bayerische Braumeister die Verantwortung für die Pilsener Brauerei und deren berühmtes Bier. Verbesserte Kühl- und Lagermethoden und die Ausbreitung der Eisenbahn begünstigten die Verbreitung. Das „Pilsner Bier“ – zunächst nur eine Herkunftsbezeichnung – wurde zum Exportschlager, erreichte 1863 Deutschland und später Großbritannien und Nordamerika. 1913/14 wurden erstmals über eine Million Hektoliter gebraut. Heute produziert Plzeňský Prazdroj rund zehn Millionen Hektoliter und exportiert in 60 Länder. Seit 2016 ist die Brauerei im Besitz eines japanischen Konzerns.

Josef Groll entstammte einer Brauerfamilie aus Vilshofen. Die vom jüngeren Bruder Johann übernommene Grollsche Brauerei in Vilshoven ging insolvent und wurde teilweise von der Brauerei Wolferstetter übernommen, welche noch heute ein Josef Groll Pils genanntes Bier herstellt. Groll konnte den rasanten Erfolg seiner Kreation noch einige Jahrzehnte aus dem fernen Niederbayern verfolgen. Wie das Leben des begabten Braumeisters nach seinem Pilsner Intermezzo verlief, liegt weitgehend im Dunkeln. Bekannt ist lediglich, dass Groll am 22. Oktober 1887 in Vilshofen im Haus seiner Tochter gestorben ist. Heute erinnert eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus an den Braumeister.

Durchbruch in Deutschland

Zum deutschlandweiten Durchbruch verhalfen dem neuen Biertyp allerdings die Preußen: In Berlin, später auch in den großen industriellen Brauzentren im Ruhrgebiet verbreitete sich der schlanke, helle Biertyp mit seiner bitteren Hopfennote rasch. Das „Pils“ wandelte sich von der Herkunfts- zur Sortenbezeichnung. Die Pilsener Brauer versuchten, diesen Prozess zu verhindern. Doch ihre Unterlassungsklage gegen eine Münchner Brauerei hatte keinen Erfolg: 1899 genehmigte ein Gericht die Sortenbezeichnung „Pilsener“.
Im Norden Deutschlands, aber auch im Ruhrgebiet und in Westfalen ist „dat Pilsken“ nach wie vor das gängigste Bier, obwohl sich fast alle Brauereien mittlerweile mit mehr Vielfalt auf den veränderten Geschmack der Biertrinker einstellen.

In Deutschland kommen nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes etwa 53 Prozent des Bierausstoßes von gut 96 Millionen Hektolitern (2016) als Pils auf den Markt. Damit liegt das Pils weit an der Spitze vor dem Export (rund 9 Prozent) und dem Weizenbier (rund 8 Prozent). In Bayern dagegen ist Pils nur eine Biersorte unter anderen – hier haben das Münchner Helle, das traditionelle dunkle Bier, das Weizenbier, das Märzen und Spezialbiere wie das Nürnberger Rotbier oder das Bamberger Rauchbier ihre treue Anhängerschaft.

Sepp Spiegl

 

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