Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Jakob Hein – Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste

© Urban Zintel

Im Roman kommt der überengagierter Assistent Grischa Tannberg in eine außergewöhnliche Lage. Sein Chef ist fast alarmiert über den Arbeitseifer des Jüngeren und kann nicht glauben, was sich da entwickelt. Kulisse ist die Ostberliner Plankommission, PlaKo, und die vor Langeweile vor sich hin dümpelnde Abteilung „Afghanistan“. Das Land hätte gerne Maschinen aus der DDR, Fahrzeuge, Konsumgüter und Dünger, hat aber nichts außer Drogen im Austausch zu bieten

Grischa entwickelt einen Plan, mit dem sowohl Afghanistan als auch der maroden DDR zum beiderseitigen Vorteil geholfen werden könnte. Zunächst fährt eine Delegation hin, besichtigt den Anbau, macht eine Verkostung und überprüft mögliche Lieferwege und Verbreitungsmöglichkeiten. Alles soll vorerst geheim getestet werden. Die greisen Minister im Zentralkomitee führen den als Medizinalhanf deklarierten „Schwarzen Afghanen“ ein und verkaufen ihn im Niemandsland eines Grenzübergangs in einem Kiosk für afghanische Keramik, Schals und Mützen an die Bürger der BRD gegen harte Devisen. Das Geschäft entwickelt sich zum Knaller, bis es die Aufmerksamkeit der Bonner Regierung erregt.

Die Kritik am System verpackt der Autor mit einem Augenzwinkern und natürlich Insider-Kenntnissen und entlarvt Rituale und Argumente, mit denen beide Seiten ihre Interessen verschleiern und den Deal auskungeln. Die Doppelmoral beider Gesellschaftssysteme, wie man sich Fehler schönredete, ist besonders am Treffen im Bayerischen Wald dargestellt. Wie erfüllte man sich Begehrlichkeiten nach Westprodukten? Der Osten macht dem Westen ein Angebot, das er aus taktischen und politischen Gründen nicht ablehnen kann. Die Krux ist, westliche Kontrollen an der innerdeutschen Grenze würden beweisen, dass man damit eine Staatsgrenze akzeptiere, die man eigentlich nicht anerkennen wolle.

Zu verlockend ist die Aussicht auf die rollenden Devisen. Die Politiker der DDR wittern ihre Chance: Was wäre der Westen bereit zu zahlen, damit der Verkauf von Haschisch an die Westjugend eingestellt würde? Jede Seite wird in dem Roman des hauptamtlichen Psychiaters Jakob Hein verhohnepiepelt. Der Roman wird Leser aus beiden Seiten der Grenze köstlich amüsieren, denn die Rechtfertigungsargumente sind wiedererkennbar für die Zeitzeugen.

Jakob Hein arbeitet als Psychiater. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter Mein erstes T-Shirt (2001), Herr Jensen steigt aus (2006), Wurst und Wahn (2011), Kaltes Wasser (2016) und Die Orient-Mission des Leutnant Stern (2018). Sein Buch Hypochonder leben länger und andere gute Nachrichten aus meiner psychiatrischen Praxis (2020) stand nach Erscheinen wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Zuletzt erschien sein Roman Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken im Frühjahr 2022.

  • Verlag: Galiani-Berlin
  • Erscheinungstermin: 13.02.2025
  • Lieferstatus: Lieferzeit 1-2 Tage
  • ISBN: 978-3-86971-316-8
  • 256 Seiten
  • Autor: Jakob Hein