Im Entenmarsch

Auch die zweite, nicht enden wollende Corona-Welle wird von Enten geprägt. Die Peking-Ente befindet sich als Rassegeflügel-Star im Steigflug. Das Verursacherprinzip hat offenkundig bei der Weltgesundheit wenig Bedeutung, spricht doch kaum noch jemand davon, von wo diese entsetzliche Seuche ihren Ausgang genommen hat. So feiert die kommunistische Führung in Peking inzwischen Freudenfeste, preist sich als Bezwingerin dieser Krankheit, führt die angebliche Überlegenheit ihres totalitären Systems ins Feld. Sie scheut die Aufklärung der Entstehung dieser Pandemie, blockiert und verzögert die investigative Mission der Weltgesundheitsorganisation, schickt eine um gründliche Recherche bemühte Bloggerin ins Gefängnis.
Die Inszenierung als Wohltäter der Menschheit trägt Früchte. Zahlreiche Staaten fressen den „gelben Schlangen“ aus der Hand. Der philippinische Präsident Duterte rühmt Impfstoffe aus Peking als „Erlösung“, Serbiens Präsident küsst nach der Ankunft von Dienstleistungen die chinesische Flagge, Myanmar folgt mit einem tiefen Diener, die Italiener zeigen sich über Beatmungsgeräte begeistert, und auch in Indonesien und Lateinamerika hat die „Spritzen-Diplomatie“ Erfolg.
Was man den Chinesen, nicht nur denen in der Volksrepublik, sondern auch im demokratischen Taiwan, lassen muss, sind unbestreitbare Erfolge durch eine entschlossene Strategie im Kampf gegen Covid-19. Dagegen wirken die Europäer und nicht zuletzt, wir – die Deutschen – wie lahme Enten. Ein Begriff, der in der Sprache der Politik für Regierungschefs, deren Amtszeit wie bei Kanzlerin Merkel zu Ende geht, verwendet wird.
In der Welt der Globalisierung und Digitalisierung fressen aber nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Wenn das Impfen die einzige Chance im Kampf gegen Corona ist, dann brauchen wir dringend mehr Geschwindigkeit bei der Verabreichung der Injektion. Am besten sollte tags und nachts geimpft werden. Dass es beim Beschaffungsmanagement durch die Übertragung auf die EU und den Verzicht auf angebotene höhere Liefermengen Verzögerungen gegeben hat, liegt auf der Hand.
Statt ausbrechender Machtkämpfe in der Berliner Regierungskoalition und einem Durcheinander in den Ländern muss es eine nationale Kraftanstrengung beim Impfen geben. Man kann nicht eine „Kommunikationskampagne mit dem Titel „Ärmel hochkrempeln“ starten und dann über 90-Jährige vor der Tür leerer Impfzentren stehen lassen. Die deutsche Politik erinnert an den „Entenmarsch“, also im Teich herum watschelnde und schnatternde Tiere, die im Trippelschritt ans Ziel kommen wollen.
„Enten“ sind bekanntlich auch Falschmeldungen. Sie durchschwirren die Corona-Welt ebenfalls. Verschwörungstheoretiker wenden sich in den sozialen Medien gegen die „Impfodemie“, warnen vor mit den Injektionen verbundenen Mikrochips. „Enten“ halt.
Dieter Weirich (Jg. 1944) war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst „als liberalkonservativen Streiter“ sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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