Die deutsche Redewendung „Jemanden auf die Palme bringen“
von Sepp Spiegl
Die deutsche Redewendung „Jemanden auf die Palme bringen“ ist ein beliebter Ausdruck für das Verärgern oder Erzürnen einer Person. Sie wird häufig verwendet, um auszudrücken, dass jemand gereizt oder ärgerlich gemacht wurde, oft durch eine wiederholte oder anhaltende Provokation.
Herkunft und Bedeutung

Die genaue Herkunft der Redewendung „Jemanden auf die Palme bringen“ ist nicht eindeutig belegt. Vermutlich stammt sie jedoch aus einer Metapher für das Klettern auf eine Palme, was als Zeichen für eine drastische Reaktion interpretiert werden kann. Historisch gesehen galten Palmen als hoch und schwer erklimmbar. Das „Hinaufklettern“ symbolisiert demnach eine extreme Reaktion auf Ärger oder Frustration. Die Palme steht hier bildlich für das Aufbrausen und das hohe Maß an Emotionen, das nötig ist, um jemanden dazu zu bringen, in seiner Wut „auf eine Palme zu steigen“. Einige Sprachwissenschaftler sehen die Wurzeln der Redewendung in den Tropen und Kolonialzeiten, wo Palmen als schwierige Hindernisse galten. Diese Erklärung lässt sich aber nur spekulativ belegen. In der heutigen Nutzung bedeutet die Redewendung „jemanden auf die Palme bringen“ im übertragenen Sinn, jemanden so weit zu provozieren, dass die Person buchstäblich „explodiert“ – also sich aufregt oder gar wütend wird. Einen weiteren Ursprung könnte die Redewendung vermutlich in einer Beobachtung aus dem Tierreich haben, genauer gesagt bei unseren nächsten Verwandten, den Affen. Die Redewendung bezieht sich als sprachliches Bild darauf, dass Affen, wenn sie erregt oder in Rage sind, oft auf Palmen oder andere Bäume klettern, um von dort herunter zu schimpfen. Die Bildsprache beruht dabei auch auf der Vorstellung, dass Ärger und Wut einen Menschen hochfahren beziehungsweise in die Luft gehen lassen – also ganz ähnlich wie Affen, die dann eine Palme erklimmen.
Nicht im gleichen Maßstab durchgesetzt hat sich die Pinie. Obwohl die verwandte Redewendung „Jemanden auf die Pinie bringen“ sogar vom Duden erwähnt wird, werden Sie wohl eher überraschte Reaktionen erhalten, wenn Sie sie verwenden: „Meintest du nicht vielleicht eher die Palme?“ Übrigens: Nordlichter, insbesondere Hamburgerinnen, haben vielleicht schon mal jemanden sagen hören: „Da hat der Abteilungsleiter aber alle mächtig auf die Zinne gebracht.“ Auch hier ist die Herkunft nicht ganz eindeutig, aber wie bei Palmen (und zur Not auch Pinien) bieten auch Zinnen in zornigen, brenzligen Situationen einen Vorteil: Von oben kämpft es sich eben, ob mit Kokosnüssen oder siedendem Öl (und zur Not Pinienkernen), doch einfach am besten.
Gebrauch der Redewendung
Der Gebrauch der Redewendung „Jemanden auf die Palme bringen“ ist vielseitig und kommt in vielen alltäglichen und formellen Kontexten vor, um Ärger und Unmut auszudrücken. In der deutschen Umgangssprache ist sie fest verankert und wird verwendet, um verschiedene Reaktionen und Gefühle zu beschreiben – von leichtem Genervtsein bis hin zu intensivem Ärger.
Alltagskonversationen
Im Alltag wird „Jemanden auf die Palme bringen“ häufig humorvoll verwendet, um über kleine Ärgernisse zu sprechen. Menschen nutzen die Redewendung, um Situationen zu beschreiben, in denen sie durch das Verhalten anderer gereizt werden, oft auf eine Weise, die leicht übertrieben oder scherzhaft klingt:
- Beispiel 1: „Mein Nachbar bringt mich mit seiner lauten Musik auf die Palme!“
- Beispiel 2: „Immer wenn mein Partner mich im Gespräch unterbricht, bringt mich das auf die Palme.“
In diesen Kontexten ist die Redewendung eine lebendige und etwas überzeichnete Möglichkeit, die eigene Frustration auszudrücken, ohne aggressiv zu wirken. Oft ist ein humorvolles Augenzwinkern Teil des Einsatzes, was die Schärfe der Aussage abmildert.
Berufliche Situationen
Am Arbeitsplatz kann die Redewendung ebenfalls verwendet werden, vor allem, wenn sich Kollegen oder Vorgesetzte gegenseitig über wiederholtes Fehlverhalten ärgern. Hier wird „Jemanden auf die Palme bringen“ jedoch tendenziell ernsthafter verwendet:
- Beispiel 1: „Sein ständiges Verspäten bringt den Chef auf die Palme.“
- Beispiel 2: „Die unklare Kommunikation im Team bringt alle auf die Palme.“
In beruflichen Kontexten spiegelt die Redewendung oft die Spannungen wider, die durch unzuverlässiges oder respektloses Verhalten entstehen können. Sie wird genutzt, um zu verdeutlichen, dass jemand aufgrund einer anderen Person oder durch ein störendes Verhalten sehr frustriert ist.
Beziehungen und Familienalltag
In Beziehungen und innerhalb der Familie ist die Redewendung besonders häufig anzutreffen, da enge Beziehungen oft auch viele Reibungspunkte mit sich bringen. Hier wird sie genutzt, um auf humorvolle oder auch ernste Weise die kleinen und größeren Konflikte des Zusammenlebens auszudrücken:
- Beispiel 1: „Es bringt mich auf die Palme, dass mein Bruder nie Ordnung hält!“
- Beispiel 2: „Jedes Mal, wenn ich anrufe und er nicht rangeht, bringt mich das auf die Palme.“
In diesen Fällen verdeutlicht die Redewendung das Ausmaß der Enttäuschung oder Verärgerung über wiederkehrende Verhaltensweisen, die einen an die „Grenze des Erträglichen“ bringen können. Sie zeigt zudem, dass in engen Beziehungen oft eine emotionale Ebene mitschwingt, wenn etwas „auf die Palme“ bringt.
Medien und Öffentlichkeit
In den Medien und öffentlichen Diskussionen wird „Jemanden auf die Palme bringen“ gern verwendet, um hitzige Diskussionen oder Debatten zu kommentieren. Politiker, Prominente und Journalisten nutzen die Redewendung manchmal in Interviews oder Artikeln, um ihre Frustration gegenüber einem bestimmten Thema oder einer Person zum Ausdruck zu bringen:
- Beispiel 1: „Die Ignoranz in dieser Angelegenheit bringt die Bürger auf die Palme.“
- Beispiel 2: „Die hohen Mietpreise bringen viele auf die Palme.“
Hier wird der Ausdruck genutzt, um die Empörung oder die Wut der Öffentlichkeit zu verdeutlichen und eine gewisse Schärfe oder Dringlichkeit zu vermitteln.
Literatur und kreative Texte
In literarischen Werken oder kreativen Texten taucht die Redewendung „Jemanden auf die Palme bringen“ oft auf, um emotionale Zustände prägnant zu schildern. Durch ihre bildhafte Sprache kann die Redewendung in Dialogen lebendig wirken und Figuren emotionale Tiefe verleihen. Sie wird verwendet, um Charakteren eine menschliche und oft humorvolle Seite zu geben, indem sie ihre Ungeduld oder ihr Temperament auf eine anschauliche Weise ausdrückt.
- Beispiel 1: In einem Roman könnte ein Charakter zu einem anderen sagen: „Weißt du, deine Sturheit bringt mich wirklich auf die Palme!“
- Beispiel 2: Ein humorvolles Buch über Familienalltag könnte die Redewendung verwenden, um die alltäglichen Herausforderungen von Eltern zu beschreiben, deren Kinder sie „auf die Palme bringen“.
Sprachliche Nuancen und Synonyme
„Jemanden auf die Palme bringen“ hat Synonyme wie „jemanden wütend machen“, „jemanden ärgern“ oder „jemanden provozieren“. In seiner Intensität ist „auf die Palme bringen“ jedoch stärker, da es impliziert, dass die betreffende Person eine deutliche emotionale Reaktion zeigt. Im Dialekt oder in regionalen Sprachfärbungen finden sich vergleichbare Ausdrücke wie „jemanden zum Kochen bringen“ oder „jemanden auf die Barrikaden bringen“. Redewendungen wie diese sind auch in der Literatur und in Medien beliebt, da sie die deutsche Umgangssprache beleben und besonders lebendige Bilder erzeugen. In humoristischen Kontexten oder in Satire wird sie oft verwendet, um Reaktionen zu beschreiben, die übertrieben erscheinen – zum Beispiel ein Elternteil, das wegen kleiner Missgeschicke der Kinder „auf die Palme geht“.
Die Redewendung „Jemanden auf die Palme bringen“ ist ein anschaulicher Ausdruck für das Verärgern einer Person und hat in der deutschen Sprache eine lange Tradition. Sie beschreibt eine Reaktion auf fortwährende Störungen oder Provokationen und ist in verschiedensten Lebensbereichen einsetzbar – von der Familie über den Beruf bis hin zu allgemeinen Alltagssituationen. Die bildhafte Sprache und die starke Ausdruckskraft machen die Redewendung zu einem beliebten Mittel, um Unmut und Ärger zu verdeutlichen.
Titelfoto: www.pixabay.com
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