von Sepp Spiegl

„Rutsch mir den Buckel runter!“ Die Redensart scheint es schon sehr lange zu geben, wobei sich die Bedeutung möglicherweise gewandelt hat. Das Wort „Buckel“ steht bei uns heute als flapsiger Ausdruck für den Rücken. Den Rücken wiederum zeigt man jemandem, von dem man sich abwendet. In einer ersten – noch eher harmlosen Deutung – liegt der Redewendung also folgender Gedankengang zugrunde: Du bist doof, ich dreh dir den Rücken zu, du siehst mich nur noch von hinten und kannst mir den Buckel runterrutschen.

Eine Redewendung mit mittelalterlichen Wurzeln

© Muhammad Abubakar auf Pixabay.com

Die Redewendung „Rutsch mir den Buckel runter!“ geht auf das Mittelalter zurück, eine Zeit, in der häufige Rückenschmerzen und Verkrümmungen durch harte körperliche Arbeit und mangelnde medizinische Versorgung verbreitet waren. Der „Buckel“, ein umgangssprachlicher Begriff für den Rücken, stand symbolisch für die Lasten, die man physisch und metaphorisch trug. Der Ausdruck diente ursprünglich dazu, sich von den Erwartungen oder Forderungen anderer zu distanzieren, und bedeutete in etwa: „Lass mich in Ruhe!“ oder „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten“. Eine populäre Theorie besagt, dass die Redewendung in Zusammenhang mit der mittelalterlichen Rechtsprechung steht. Wer in einem Streit als unterlegen galt, musste sinnbildlich „den Buckel machen“ – also unterwürfig sein. Die abwehrende Haltung des Satzes könnte daher eine Rebellion gegen solche Hierarchien ausdrücken. Das Wort Buckel gab es vorher aber auch schon. Es drückte allgemein gewölbte Formen aus – allerdings eher außerhalb des menschlichen Körpers. Wir kennen den Ausdruck auch als Bezeichnung für rundliche Berge. Und es gab noch eine spezielle Bedeutung, nämlich den Buckel in der Mitte eines Kampfschildes. Ein Schild hat ja an der Seite, die zum Feind zeigt, in der Mitte einen rundlichen Beschlag, eine Verstärkung. Und deshalb wird vermutet, dass sich die Redensart ursprünglich auf eine blutige Kampfsituation bezieht. Sinngemäß: Ich verachte dich, ich bekämpfe dich, ich werde dich mit dem Schwert besiegen, so dass du dann tot an meinem Schild – und somit auch am Schildbuckel – herunterrutschst. Es ist möglich, dass die Redensart ursprünglich auf diese Vorstellung zurückgeht und die Assoziation mit dem menschlichen Hintern erst später kam.

Heute ist „Rutsch mir den Buckel runter!“ eine umgangssprachliche Redewendung, die benutzt wird, um Ablehnung oder Gleichgültigkeit auszudrücken. Sie kann sowohl humorvoll als auch verärgert gemeint sein, je nach Kontext und Tonfall. Die Aussage vermittelt, dass die Meinung oder Forderung des Gegenübers keine Bedeutung hat und man sich nicht weiter damit befassen möchte. Darin ist aber noch ein deftigeres Bild versteckt. Denn wo landet man beim Runterrutschen am Ende des Buckels? Am Hintern. Und genau darauf spielt die Redewendung durchaus auch an. Wenn es um verächtliche Gesten geht, dann ist die Steigerung von „jemandem den Rücken zuwenden“ bekanntlich die Präsentation des Allerwertesten. Zu sagen: „Du kannst mir den Buckel runterrutschen“ spielt somit auf ein ähnliches Bild an wie: „Du kannst mich am Arsch lecken“. Das Wort Buckel selbst ist ein Lehnwort aus dem lateinischen „buccula“ = „Bäckchen, Schildbuckel“ und ist über das Altfranzösische als „Schildbuckel“ ins Deutsche gekommen. Erst im 16. Jahrhundert wird daraus in der derberen Volkssprache das Synonym für Rücken, aus dem sich das Adjektiv „bucklig“ gebildet hat 

Positive und negative Konnotationen

Positiv:

  • Der Ausdruck kann als humorvolle Abgrenzung dienen, um Spannungen zu entschärfen oder Konflikten die Schärfe zu nehmen. Zum Beispiel: „Ach komm, rutsch mir doch den Buckel runter! Wir trinken jetzt erst mal einen Kaffee.“
  • In Freundschaft oder Familie signalisiert die Redewendung manchmal, dass man die Sache nicht zu ernst nehmen sollte.

Negativ:

  • Je nach Situation kann die Formulierung als respektlos oder herabwürdigend empfunden werden. Besonders im beruflichen Kontext oder bei formalen Gesprächen ist Vorsicht geboten, da sie unprofessionell wirkt.
  • Sie kann als Zeichen von Gereiztheit oder Unkooperativität wahrgenommen werden.
  • Ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben. Er kann mir mal den Buckel runterrutschen.
  • Rutsch mir doch den Buckel runter!
  • Die Damen und Herren vom Ordnungsamt können mir wirklich mal den Buckel herunterrutschen. Ich habe jetzt wirklich die Nase gestrichen voll.
  • Je älter ich werde, umso mehr Menschen können mir den Buckel runterrutschen.

Anwendung im Alltag, Beruf und Privatleben

In alltäglichen Gesprächen wird die Redewendung oft scherzhaft gebraucht, beispielsweise unter Freunden oder in der Familie. Im beruflichen Umfeld hingegen ist sie unüblich und kann leicht als unangebracht angesehen werden. Der Grad der Akzeptanz hängt stark vom sozialen Umfeld, dem Beziehungston und der jeweiligen Situation ab.

Beispiele für die Anwendung:

  • Privat: Wenn ein Freund einen wiederholt zu etwas drängt, kann man augenzwinkernd antworten: „Rutsch mir den Buckel runter! Ich mach das morgen.“
  • Beruf: In einer hitzigen Diskussion wäre die Redewendung eher ein Tabu. Ein besserer Umgang wäre ein sachliches Ablehnen der Forderung.
  • Alltag: Beim Scherz mit einem Geschwisterkind, das einen provozieren will, passt der Satz in humorvollem Ton.

Vergleich mit ähnlichen Ausdrücken im Ausland

Andere Sprachen bieten ebenfalls Redewendungen mit ähnlicher Bedeutung. Im Englischen könnte „Get off my back!“ (Wörtlich: Geh von meinem Rücken runter!) als sinngemäße Entsprechung gelten. Diese Formulierung zeigt ebenfalls eine Mischung aus Ablehnung und Frustration. Im Französischen findet man „Lâche-moi les baskets!“ („Lass meine Schuhe in Ruhe!“), eine humorvolle Art, jemandem Distanz zu signalisieren.

„Rutsch mir den Buckel runter!“ ist eine facettenreiche deutsche Redewendung, die viel über die historische und kulturelle Entwicklung der Sprache verrät. Ihr Ursprung im Mittelalter zeigt, wie sich Sprache aus gesellschaftlichen Verhältnissen entwickelt, während ihr heutiger Gebrauch die Vielfalt menschlicher Interaktionen widerspiegelt. Egal ob humorvoll oder verärgert, diese Redewendung bleibt ein eindrucksvolles Beispiel für die Kraft und Kreativität der Sprache.

 

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