Deutsche Redewendung: Eulen nach Athen tragen
von Sepp Spiegl

Die deutsche Redewendung „Eulen nach Athen tragen“ ist eine der bekanntesten Sprichwörter der deutschen Sprache. Sie wird häufig verwendet, um eine unnötige oder überflüssige Handlung zu beschreiben. Doch woher kommt diese Redewendung, was bedeutet sie genau, und wie wird sie im Alltag sowie in beruflichen und politischen Kontexten genutzt? Viele Redewendungen haben einen historischen Ursprung, der oft weit in die Vergangenheit zurückreicht. So auch „Eulen nach Athen tragen“, das aus der Antike stammt und seinen Ursprung in der griechischen Kultur hat. Diese Redewendung verweist auf eine überflüssige Tätigkeit, die keinen Mehrwert schafft, da das, was hinzugefügt wird, bereits in großem Maße vorhanden ist. Doch warum gerade Eulen und warum Athen? Um diese Fragen zu beantworten, lohnt sich ein Blick in die Geschichte und die ursprüngliche Bedeutung dieser Metapher.
Herkunft der Redewendung
Die Redewendung stammt aus dem antiken Griechenland. Athen war in der Antike ein bedeutendes Zentrum von Bildung, Philosophie und Kultur. Gleichzeitig war die Stadt für ihren Reichtum an Eulen bekannt – nicht nur, weil diese Tiere dort zahlreich vorkamen, sondern auch, weil die Eule als heiliges Tier der Göttin Athene galt. Sie symbolisierte Weisheit und Wissen und wurde daher oft mit Gelehrten und Philosophen in Verbindung gebracht. Ein weiterer Grund, warum Athen mit Eulen assoziiert wurde, war die Darstellung der Eule auf den Tetradrachmen, den wertvollen Silbermünzen der Stadt. Diese Münzen wurden weit über die Grenzen Griechenlands hinaus als Zahlungsmittel verwendet und galten als Zeichen des wirtschaftlichen Wohlstands Athens. Da Eulen in Athen sowohl als Tier als auch als Symbol der Währung im Überfluss vorhanden waren, wurde es als sinnlos angesehen, noch mehr davon dorthin zu bringen. Schon in der Antike wurde diese Metapher genutzt, um eine überflüssige Handlung zu beschreiben. Der griechische Dichter Aristophanes verwendete sie in seiner Komödie „Die Vögel“ (414 v. Chr.), um Unsinn und Überfluss zu illustrieren. Auch andere antike Schriftsteller griffen das Bild der Eulen in Athen auf, um unnötige Taten zu kritisieren oder humoristisch darzustellen.
Bedeutung und Gebrauch im Alltag
Heute wird die Redewendung „Eulen nach Athen tragen“ im Deutschen verwendet, um Tätigkeiten zu beschreiben, die überflüssig sind, weil sie keinen Mehrwert bringen oder weil das Zielobjekt bereits vorhanden ist. Beispielsweise würde es keinen Sinn ergeben, einen Sandhaufen in eine Wüste zu bringen oder Wasser ins Meer zu schütten – solche Tätigkeiten sind überflüssig, da sie nichts verändern.
Beispiele für den Alltagsgebrauch:
- „Es wäre, als würde man Eulen nach Athen tragen, wenn man einem Koch erklärt, wie man eine Suppe kocht.“
- „Einem Literaturprofessor das Alphabet beizubringen, wäre wie Eulen nach Athen zu tragen.“
Positive und negative Aspekte
Die Redewendung hat oft eine negative Konnotation, da sie meist auf sinnlose oder ineffektive Handlungen hinweist. In manchen Fällen kann sie aber auch ironisch oder humorvoll verwendet werden, um auf die Absurdität einer Situation hinzuweisen. Jedoch gibt es auch positive Interpretationen. In einem kreativen oder wissenschaftlichen Kontext kann es sinnvoll sein, Altbekanntes aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, auch wenn es auf den ersten Blick überflüssig erscheint. Beispielsweise könnte die Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden für Mathematik als „Eulen nach Athen tragen“ betrachtet werden, doch sie könnten dazu beitragen, dass Schüler den Stoff besser verstehen.
Beispiele aus dem Ausland
Auch in anderen Sprachen gibt es ähnliche Redewendungen, die dasselbe Prinzip ausdrücken:
- Englisch: „To carry coals to Newcastle“ (Kohle nach Newcastle bringen – Newcastle war bekannt für seine Kohleproduktion).
- Französisch: „Porter de l’eau à la rivière“ (Wasser zum Fluss tragen).
- Italienisch: „Vendere ghiaccio agli eschimesi“ (Eis an die Eskimos verkaufen).
Diese Redewendungen drücken ebenfalls die Sinnlosigkeit einer Handlung aus, die etwas Überflüssiges hinzufügt.
Verwendung in Beruf und Politik
Auch im beruflichen und politischen Umfeld findet die Redewendung Anwendung. In der Wirtschaft spricht man zum Beispiel davon, dass es unsinnig wäre, hochentwickelte Technologie an ein Land zu verkaufen, das bereits überlegene eigene Technologien besitzt. In der Politik wird die Redewendung häufig benutzt, um überflüssige Maßnahmen oder Entscheidungen zu kritisieren. Wenn beispielsweise ein Staat große Summen in eine bereits gut entwickelte Infrastruktur investiert, könnte dies als „Eulen nach Athen tragen“ bezeichnet werden. Ebenso könnte es ironisch verwendet werden, wenn eine Nation einem Land Entwicklungshilfe anbietet, das in diesem Bereich bereits führend ist. Ein aktuelles Beispiel für die Anwendung der Redewendung findet sich in der internationalen Klimapolitik. Wenn Industrienationen finanzielle Mittel oder Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels an Länder geben, die selbst bereits Vorreiter in diesem Bereich sind, könnte dies als „Eulen nach Athen tragen“ betrachtet werden. Beispielsweise wäre es fragwürdig, Deutschland als Vorreiter in der erneuerbaren Energiebranche mit Windkrafttechnologie zu unterstützen, da das Land bereits über eine hochentwickelte Windenergie-Infrastruktur verfügt. Ebenso könnte das Exportieren von Wasserstofftechnologie nach Japan überflüssig erscheinen, da Japan bereits massiv in diese Technologie investiert.
Die Redewendung „Eulen nach Athen tragen“ hat eine lange Geschichte und ist bis heute eine prägnante Metapher für überflüssige Handlungen. Sie findet Anwendung in vielen Bereichen des Lebens – von Alltagsgesprächen bis hin zu Politik und Wirtschaft. Trotz ihrer negativen Konnotation kann sie in manchen Kontexten auch eine humorvolle oder ironische Note haben. Im internationalen Vergleich gibt es zahlreiche ähnliche Redewendungen, die die gleiche Bedeutung transportieren, was zeigt, dass das Prinzip der Überflüssigkeit universell verstanden wird.
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