von Sepp Spiegl

© Ronny Overhate auf Pixabay.com

Redewendungen sind ein wichtiges kulturelles Gut. Sie spiegeln die Geschichte, Werte und Mentalität einer Gesellschaft wider und sind oft eng mit der Sprache, Traditionen und historischen Ereignissen eines Landes verbunden. Redewendungen sind ein fester Bestandteil der Sprache und werden über Generationen weitergegeben. Sie bewahren sprachliche Eigenheiten und historische Begriffe, die sonst verloren gehen könnten. Viele Redewendungen sind Ausdruck gesellschaftlicher Normen und Denkweisen. Sie zeigen, welche Werte und Erfahrungen in einer Kultur wichtig sind. Zum Beispiel gibt es im Deutschen viele Redewendungen über Fleiß und Ordnung („Ordnung ist das halbe Leben“), während im Englischen mehr pragmatische Phrasen über Erfolg und Eigeninitiative vorkommen („The early bird catches the worm“). Redewendungen haben oft einen historischen Ursprung, der Einblicke in vergangene Lebensweisen gibt. Beispielsweise stammt „die Fliege machen“ aus einer Zeit, in der schnelles Verschwinden – sei es aus Angst, Not oder Berechnung – eine oft notwendige Fähigkeit war. Sprache verbindet Menschen. Wer dieselben Redewendungen kennt und nutzt, fühlt sich Teil einer Gemeinschaft. Dialekte und regionale Sprichwörter verstärken dieses Zugehörigkeitsgefühl zusätzlich. Viele Redewendungen gibt es in ähnlicher Form in anderen Sprachen, aber mit kulturellen Anpassungen. Zum Beispiel gibt es im Deutschen „den Teufel an die Wand malen“ (etwas Unheilvolles heraufbeschwören), während im Englischen oft „to jinx something“ (etwas verhexen) gesagt wird. Solche Vergleiche zeigen, wie unterschiedlich Kulturen mit ähnlichen Themen umgehen.

Die deutsche Redewendung „die Fliege machen“ bedeutet, sich schnell und unauffällig davonzumachen oder zu verschwinden. Sie wird oft verwendet, wenn jemand sich einer unangenehmen oder unerwünschten Situation entzieht.

Herkunft der Redewendung

Die Herkunft dieser Redewendung ist nicht eindeutig geklärt, doch es gibt mehrere Theorien. Eine populäre Erklärung bezieht sich auf das Verhalten von Fliegen, die sich ruckartig und plötzlich in Bewegung setzen, wenn sie gestört werden. Diese Eigenschaft wurde metaphorisch auf das plötzliche Verschwinden von Personen übertragen. Eine andere Theorie besagt, dass die Redewendung aus dem Rotwelsch stammt, einer alten Gaunersprache, in der „Fliege“ für das schnelle Entkommen oder Untertauchen steht. Eine weitere interessante Herkunftshypothese führt ins Mittelalter. In dieser Zeit waren Gaukler, fahrende Händler und Spielleute oft gezwungen, sich schnell aus dem Staub zu machen, wenn sie der Obrigkeit oder aufgebrachten Menschenmengen auffielen. Besonders Taschendiebe und Trickbetrüger waren darauf angewiesen, nach einem erfolgreichen Diebstahl sofort zu fliehen. Im Mittelalter waren zudem Fliegen ein Symbol für Flüchtigkeit und Unbeständigkeit, da sie niemals lange an einem Ort verweilten. Dieses Bild könnte die Redewendung beeinflusst haben.

Gebrauch im Alltag

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird „die Fliege machen“ oft humorvoll oder umgangssprachlich genutzt. Beispiele:

  • „Bevor die Rechnung kam, hat er schnell die Fliege gemacht.“
  • „Als es brenzlig wurde, machte der Verdächtige die Fliege.“

Positive und negative Meinungen zur Redewendung

Die Redewendung kann sowohl positiv als auch negativ verstanden werden. Positiv gesehen beschreibt sie eine kluge und geschickte Art, sich aus schwierigen Situationen zu befreien. Negativ hingegen kann sie als feige oder unehrenhaft wahrgenommen werden, wenn sich jemand einer Verantwortung entzieht.

Verwendung im Beruf

Im Berufsleben kann „die Fliege machen“ auf verschiedene Weise interpretiert werden:

  • Ein Mitarbeiter verlässt heimlich das Büro früher als erlaubt.
  • Ein Geschäftspartner zieht sich unangekündigt aus einer Verhandlung zurück.
  • Ein Vorgesetzter drückt sich vor schwierigen Entscheidungen.

Bedeutung in der Politik

Auch in der Politik wird der Ausdruck verwendet, wenn Politiker oder Amtsträger plötzlich zurücktreten oder aus der Öffentlichkeit verschwinden, beispielsweise bei Skandalen oder Wahlniederlagen:

  • „Nach dem Wahldebakel machte der Minister die Fliege.“
  • „Anstatt sich der Kritik zu stellen, hat der Politiker schnell die Fliege gemacht.“

Gebrauch in der Kriminalität

In der Kriminalität wird „die Fliege machen“ häufig in Zusammenhang mit flüchtigen Straftätern oder Verdächtigen verwendet. Beispiele:

  • „Nach dem Einbruch machte der Täter sofort die Fliege.“
  • „Der Betrüger hat sich ins Ausland abgesetzt und die Fliege gemacht.“
  • „Als die Polizei anrückte, machten die Verdächtigen schleunigst die Fliege.“ Hier beschreibt die Redewendung das schnelle und oft geplante Untertauchen von Personen, die sich der Strafverfolgung entziehen wollen.

Gebrauch in anderen Ländern

Andere Sprachen haben ähnliche Ausdrücke für schnelles und unerwartetes Verschwinden:

  • Englisch: „To take off“ oder „to make a run for it“ (Abheben“ oder „sich aus dem Staub machen)
  • Französisch: „Prendre la poudre d’escampette“ (wörtlich: das Fluchtpulver nehmen)
  • Italienisch: „Darsela a gambe“ (sich mit den Beinen davonmachen)

Die Redewendung „die Fliege machen“ ist ein fester Bestandteil der deutschen Sprache und beschreibt das plötzliche Verschwinden aus einer Situation. Je nach Kontext kann sie positiv oder negativ interpretiert werden. Ihre internationale Entsprechung zeigt, dass das Phänomen des schnellen Verschwindens universell ist. Redewendungen sind mehr als nur Sprachbilder – sie sind ein lebendiges kulturelles Erbe. Sie helfen, Traditionen zu bewahren, Werte zu vermitteln und Identität zu stiften. Wer Redewendungen versteht und benutzt, taucht tiefer in die Kultur eines Landes ein und entdeckt, wie Sprache und Geschichte miteinander verwoben sind.

 

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