Chinas Wege führen nach Rom

Das Memorandum zur Seidenstraße sorgt für Zwist zwischen den italienischen Regierungsparteien und Misstrauen in Brüssel.

Chinas Präsident Xi Jingping in Italien zu Gast

Drei Tage war Chinas Präsident Xi Jingping in Italien zu Gast, und am Ende gab es zwei Lesarten über das Ergebnis des Besuchs. Endlich könne Italien Orangen genauso wie gefrorenes Schweinefleisch nach China liefern, verlautete nachher – neue Chancen für Italien also, ohne dass das Land dafür seinerseits bindende Verpflichtungen eingegangen sei, so die erste Version.

Die zweite sieht ein bisschen anders aus: Schließlich haben die Regierungen beider Staaten ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet,  das Italiens Beteiligung am chinesischen Megaprojekt der „Belt and Road Initiative“ (BRI) – auch Neue Seidenstraße genannt – vorsieht. Gewiss, ähnliche Vereinbarungen wurden bisher von zahlreichen Staaten Osteuropas, unter ihnen auch viele EU-Mitglieder, unterzeichnet. Italien allerdings war der erste Gründungsstaat der EU, das erste Mitglied des G7-Clubs zudem, das diesen Schritt vollzog.

Und wenigstens auf der symbolischen Ebene ist das keine Kleinigkeit. Der Schritt der italienischen Regierung sorgte in anderen europäischen Hauptstädten ebenso wie in Brüssel und in Washington für Unruhe. Diese Unruhe ist von der Sorge genährt, dass Italien ohne weitere Absprachen innerhalb der EU bindende Vereinbarungen mit China treffen und so gleichsam zum Einfallstor der Seidenstraßen-Initiative im Herzen Europas werden könnte. Das Misstrauen gegenüber Italien wird auch dadurch genährt, dass dort eine Koalition aus den beiden Anti-Establishment-Parteien der Lega und der Fünf Sterne am Ruder ist.

Angesichts der lauten Kritik vor allem aus der US-Administration wurde es innerhalb der Regierungskoalition zur offenen Streitfrage, ob Italien mit der Unterzeichnung des Memorandums gut bedient ist.

Italiens Regierung versuchte ihrerseits nach Kräften, die aufgekommenen Befürchtungen zu zerstreuen. So legte Ministerpräsident Giuseppe Conte in einem Interview mit dem Corriere della Sera vom 13. März dar, dass die Treue des Landes zum atlantischen Bündnis ungebrochen sei und seine Regierung in keiner Hinsicht an eine strategische und geopolitische Umorientierung denke.

Weiter führte er aus, dass das Memorandum in keinerlei Hinsicht ein juristisch bindender Vertrag, sondern lediglich eine gemeinsame Absichtserklärung sei. Italiens Interesse an der Vertiefung der Kooperation mit China liege auf der Hand, da die Einbindung der Häfen Triest und Genua in das Seidenstraßenprojekt große Entwicklungsimpulse verspreche. Außerdem erhofft Italien sich einen Schub bei den Exporten. Deren Wert betrug im Jahr 2017 13,5 Milliarden Euro, während auf der anderen Seite Güter im Wert von 28,5 Milliarden Euro aus China importiert wurden. 

Angesichts der lauten Kritik vor allem aus der US-Administration wurde es jedoch innerhalb der Regierungskoalition zur offenen Streitfrage, ob Italien mit der Unterzeichnung des Memorandums gut bedient ist. Die Vertreter der Fünf Sterne – beginnend bei Vizepremier Luigi Di Maio – feiern die Vereinbarung mit China als großen Erfolg. Kritik aus Paris oder Berlin erklärt Di Maio sich vor allem damit, dass „wir die ersten“ der G7-Staaten, der EU-Gründungsmitglieder sind, die sich der BRI angeschlossen haben. Zugleich wies Di Maio darauf hin, dass sowohl Frankreich als auch Deutschland ein bedeutend höheres Handelsvolumen mit China haben, und er unterstrich auch, dass Italien mit der Absichtserklärung zur BRI keineswegs bindende Verpflichtungen eingegangen sei.

Einigermaßen skeptisch zeigten sich dagegen führende Politiker der Lega. So erklärte Lega-Chef Matteo Salvini, auch er Vizepremier: „Es ist von grundlegender Bedeutung, den italienischen Unternehmen neue Märkte zu öffnen, doch zugleich müssen das nationale Interesse und die nationale Sicherheit geschützt werden. Wir müssen sehr aufpassen, ehe wir ausländischen Investoren für Italien vitale Infrastrukturen wie die Kommunikationsnetze, Häfen oder Flughäfen zur Verfügung stellen“.

Di Maio von den Fünf Sternen tat bei einer USA-Reise unmittelbar nach dem chinesischen Staatsbesuch in Rom alles, um die Bedeutung der Seidenstraßen-Absichtserklärung kleinzureden.

Am Ende blieb Salvini der Unterzeichnung des Memorandums demonstrativ fern – er hatte wichtigere Termine. Als sei diese Distanzierung noch nicht genug, legte er mit öffentlichen Erklärungen nach, in denen er ausführte, in China gebe es „keinen normalen Wettbewerb“, da dort ein freier Markt fehle.

Auf Druck der Lega verabschiedete die italienische Regierung denn auch pünktlich zu Xi Jingpings Besuch ein Gesetzesdekret, das vor allem darauf zielte, amerikanische und europäische Sorgen zu zerstreuen. Es billigt der Regierung die „Golden Power“ in allen Entscheidungen über den Telekommunikationsmarkt – und damit zum Beispiel über eine mögliche Beteiligung von Huawei am Aufbau des 5G-Netzes – zu.

Aber auch Di Maio von den Fünf Sternen tat bei einer USA-Reise unmittelbar nach dem chinesischen Staatsbesuch in Rom alles, um die Bedeutung der Seidenstraßen-Absichtserklärung kleinzureden. Bloß „kommerzieller Natur“ seine die Absprachen mit China, „in unserem Verhältnis zu unseren Alliierten ändert sich nichts“, ließ Di Maio in Washington verlauten.

Am Ende standen 19 Abkommen auf institutioneller Ebene und 10 Handelsabkommen. Deren Wert beläuft sich auf gerade einmal 2,5 Milliarden Euro. Direkt nach seinem Rom-Besuch flog Xi Jingping nach Paris. Dort schloss er Verträge im Wert von annähernd 40 Milliarden Euro ab.

Dr. Michael Braun studierte Politikwissenschaften und promovierte über die italienischen Gewerkschaften.
Er ist Korrespondent der taz und Mitarbeiter diverser deutscher Rundfunkanstalten in Rom.

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