99,6 Prozent der klinischen Studien zu Alzheimer sind gescheitert. Ein Projekt von EU und der Pharmaindustrie hofft, das ändern zu können. © Gerd Altmann auf Pixabay.com

99,6 Prozent der klinischen Studien zu Morbus Alzheimer sind bisher gescheitert – ein Hinweis darauf, dass die Ursachen dieser Demenzerkrankung noch nicht hinreichend verstanden sind. Wissenschaftler:innen von Universitäten in Europa, Biotech-Unternehmen und der Pharmaindustrie wollten das ändern. Heraus kam ADAPTED – ein gemeinsames Projekt der Europäischen Union (EU) und forschenden Pharmaunternehmen. Die Hoffnung ist, dass im Kampf gegen Alzheimer ein „neues Zeitalter“ beginnt.

100 Jahre Alzheimer-Forschung, aber die Entwicklung eines „Game-Changers“ in der Behandlung der Erkrankung steht noch aus. Als Grund wird der forschenden Pharmaindustrie oft ein mangelndes Interesse unterstellt. Tatsächlich ist die Alzheimer-Forschung nichts für schwache Nerven. Denn wer sich heute dazu entschließt, einen Wirkstoffkandidaten in klinische Studien zu überführen, investiert viele Hunderttausende von Euro. Die Chance, dass dieser eine Tages die Zulassungshürde nimmt, liegt aktuell bei 0,4 Prozent.

Alzheimer-Forschung ist ein hochgradig riskantes Unterfangen. Trotzdem investieren forschende Pharmaunternehmen massiv, wie eine Untersuchung des IQVIA Institute for Human Data Science herausgefunden hat. Demnach befinden sich zurzeit mehr als 120 Arzneimittelkandidaten gegen die Alzheimer-Erkrankung in der klinischen Entwicklung (Pharma Fakten berichtete).

Demenz: Alle drei Sekunden ein neuer Fall

Alle 3,2 Sekunden entwickelt irgendwo auf der Erde jemand eine Demenz, heißt es bei Alzheimer´s Disease International (ADI), einer Dachorganisation von über 100 Alzheimer-Verbänden. Weltweit sind schon heute rund 55 Millionen Menschen betroffen; ADI rechnet damit, dass sich die Zahl alle 20 Jahre verdoppelt. Alzheimer ist dabei mit Abstand die häufigste Form. Grund genug also, in Forschung zu investieren.

ADAPTED war ein Projekt der Innovative Medicines Initiative (IMI, heute: Innovative Health Initiative, IHI), der größten öffentlich-privaten Partnerschaft im Bereich der Life Sciences weltweit und ein gemeinsames Unterfangen der Europäischen Union und dem europäischen Verband der Pharmaunternehmen EFPIA. ADAPTED wurde im Jahr 2016 gestartet und ist mittlerweile abgeschlossen. Investiert wurden insgesamt fast 7 Millionen Euro. In dem Projekt vereint wurde das Fachwissen von Wissenschaftler:innen aus Universitäten, Forschungsinstituten sowie Biotechnologie- und Pharmaunternehmen aus ganz Europa. Mit dabei auch das Biotechunternehmen Biogen: „Wir haben in den letzten Jahren viel über die Entstehung der Alzheimer Demenz gelernt“, sagt Dr. Christiane Sommer, medizinische Direktorin bei Biogen. „Insbesondere zur zentralen Rolle von Amyloid-beta und dem Zusammenspiel mit dem neurodegenerativen Marker p-Tau wurden grundlegende Erkenntnisse veröffentlicht. Darüber gibt es jedoch noch weitere Faktoren, die bei der Pathogenese eine Rolle spielen, wie z.B. die vom ApoE-Gen kodierten Apolipoproteine.“ Forschungsprojekte wie ADAPTED, die sich speziell mit der Rolle des ApoE-Gens beschäftigen, seien deshalb dringend erforderlich, „um ein vollständiges Bild des komplexen Entstehungsprozesses der Alzheimer Demenz zu erhalten und wichtige weitere Targets für zukünftige Therapien zu identifizieren.“

Im Visier: Das ApoE-Gen

Das Apolipoprotein E (ApoE)-Gen ist als Risikofaktor für den Ausbruch der Erkrankung bekannt. Die Variante mit dem Namen ApoE E4 gilt als der wichtigste genetische Risikofaktor für die Entwicklung der späten Form von Alzheimer. Sie liegt bei etwa 60 Prozent der Alzheimerfälle vor. Eine E4-Variante erhöht das Risiko, an Alzheimer mit spätem Beginn zu erkranken, um das Dreifache. Liegen zwei E4-Varianten vor, erhöht sich das Risiko auf das Zwölffache.

Risikofaktor für den Ausbruch von Alzheimer: ApoE-Gen © Gerd Altmann auf Pixabay.com

Mit ADAPTED wollten die Wissenschaftler:innen verstehen, warum dieses spezielle Gen ein deutlich erhöhtes Alzheimerrisiko nach sich zieht. Sie setzten dabei ein ganzes Spektrum an modernsten Methoden ein. So entwickelten sie Modelle menschlicher Zellen: Forscher:innen können diese zum Beispiel nutzen, um Stammzelllinien zu erzeugen, die sich nur durch ihren ApoE-Genotyp unterscheiden. Auf diese Weise kann die ApoE-Funktion in menschlichen Gehirnzellen untersucht werden. Mithilfe der Humanzellmodelle sowie den Proben von Erkrankten konnte das Projektteam systematisch die ApoE-Biologie untersuchen, um die Komplexität des Gens zu enträtseln.

ADAPTED: Alzheimer-Forschung für die Allgemeinheit

Das gemeinsame Projekt von Wissenschaft und Industrie hat durch dieses neu erlangte Wissen rund um das ApoE-Gen „ein neues Kapitel in der Behandlung und Prävention der Alzheimer-Krankheit aufgeschlagen“, heißt es bei ADAPTED. Dank der Forschungserkenntnisse können zahlreiche neue, vielversprechende Wirkstoffziele identifiziert werden – eine Voraussetzung für die Entwicklung zukünftiger Therapien. Außerdem hofft man, durch die Forschung die Voraussetzungen für bessere Früherkennungstests geschaffen zu haben, „sodass Personen mit einem höheren Alzheimerrisiko leichter zu finden sind bzw. die richtigen Menschen mit dem richtigen Medikament behandelt werden.“ Die gewonnenen Erkenntnisse werden der breiteren Alzheimer-Forschungsgemeinschaft für zukünftige Forschungsvorhaben zur Verfügung gestellt.

 

Quelle: https://www.pharma-fakten.de/news/details/1239-alzheimer-forschung-beginnt-ein-neues-zeitalter/

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