Oslo-Stories: TRÄUME
„Oslo Stories: Träume“: Die erste Liebe als literarisches Erlebnis

Johanne (Ella Øverbye) sehnt sich danach, auch so etwas Schönes zu erleben, wie das, was sie in einem französischen Liebesroman gelesen hat. Es sind die noch unerfüllten Träume und Fantasien eines Teenagers – die an sich schon eine ganze Welt ausfüllen. Aber dann passiert wirklich etwas: Ihre neue, noch recht junge Lehrerin regt mit ihrer Ungezwungenheit und ihrer Wollpulli-Erotik alle Sinne in ihr an. Johanne verliebt sich kopfüber in Johanna. Damit sie ihre intensiven Gefühle nicht wieder vergisst, hält sie sie sorgfältig schriftlich fest. Ihre Mutter (Ane Dahl Torp) und Großmutter (Anne Marit Jacobsen) lesen die Texte und sind zunächst schockiert über deren ziemlich intimen Inhalt, erkennen aber bald ihr literarisches Potenzial. Während sie also über eine mögliche Veröffentlichung debattieren, müssen sich alle drei Frauen mit ihren unterschiedlichen Ansichten über Liebe, Sexualität und Selbstentdeckung auseinandersetzen.

Mit der Schilderung dessen, was zwischen der Teenagerin und der jungen Lehrerin tatsächlich geschieht, ob überhaupt etwas „geschieht“, lässt sich der Film so seine Zeit. Stattdessen geht es zunächst um Johannes Entdeckung der eigenen Empfindsamkeit. Ohne ihrem Verliebtsein ein Etikett zu geben, berichtet sie von den sinnlichen Erlebnissen, die sie plötzlich überkommen und ihr die eigene Gefühlswelt als fremdes Terrain erscheinen lassen, das sie neu erkunden muss. Das Näherkommen findet jedoch ein jähes Ende, als eines Tages eine andere Frau zu Gast ist bei der Lehrerin und Johanne schmerzlich vor Augen führt, dass die erwachsene Frau ein eigenes Leben führt. Die Teenagerin fühlt sich augenblicklich gedemütigt und als Schülerin klein gemacht. Und irgendwie macht Johanna wiederum den Eindruck, als wäre sie darüber sogar ein bisschen erleichtert.
Von all dem erfahren sowohl Johannes Mutter Kristin (Ane Dahl Torp) als auch Großmutter Karin (Anne Marit Jacobsen) im parallelen Handlungsfaden durchs Lesen von Johannes Text. Die beiden Frauen reagieren völlig verschieden. Kristin macht genau das, was Johanne vermeiden wollte: Sie „labelt“ und spricht vom „queeren Erwachen“ ihrer Tochter, und je weiter sie mit dem Lesen kommt, desto größer wird ihre Sorge, ob die 17-Jährige nicht zum Opfer eines Groomings geworden ist, also einer unlauteren Verführung
durch die ältere Frau und Lehrerin.
Mit den OSLO STORIES legt der gefeierte norwegische Filmemacher und Schriftsteller Dag Johan Haugerud sein Meisterwerk vor: eine Filmtrilogie, wie es noch keine gab. LIEBE (Venedig Wettbewerb 2024), TRÄUME (Berlinale Goldener Bär 2025) und SEHNSUCHT (Berlinale Panorama 2024) sind drei jeweils eigenständige Filme mit neuen Figuren und einer unabhängigen Geschichte. Jeder ist ein Ereignis. Alle drei machen süchtig. Getrennt voneinander werfen sie jeweils einen neuen Blick auf die Dinge, die unser Leben bestimmen. Erzählen von Liebe, Sehnsucht und Träumen, hinterfragen Identität, Gender und Sexualität, entwerfen mit faszinierenden Charakteren und klugen Dialogen gewitzt und nahbar Utopien, wie wir auch zusammenleben könnten. Bei der Berlinale 2025 wurde Oslo Stories: TRÄUME mit dem Goldenen Bären für den besten Film ausgezeichnet.
Oslo Stories: Träume
- Genre: Drama
- Produktionsjahr: 2024
- Produktionsland: Norwegen
- Zusatzinfo: Mit Ella Øverbye, Ane Dahl Torp, Selome Emnetu und anderen
- Regie: Dag Johan Haugerud
- Länge: 110 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
- Kinostart: 8. Mai 2025
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