Ein wunderbarer Liebesfilm, den Regisseur Gaspar Noé all denen gewidmet hat, „deren Hirn vor ihrem Herzen zerfällt”.

Dario Argento, Françoise Lebrun © Wild Bunch Distribution

Der Film beginnt nahezu betulich auf einer kleinen Dachterrasse, sie gehört zu einer geräumigen Pariser Altbauwohnung. In ihr wird der größte Teil des Films spielen. Auf dieser Terrasse beginnt alles im Abendlicht eines warmen Tages. Zwei alte Menschen machen sich einen schönen gemeinsamen Moment; es gibt etwas zu essen, eine Flasche Cremant wird entkorkt, man prostet einander zu. „Das Leben ist ein Traum, nicht wahr!” sagt sie. Und er antwortet: „Ja. Ein Traum in einem Traum.”

Das altes Ehepaar lebt schon seit vielen Jahrzehnten in einem engen Pariser Apartment, das sich vor allem durch die verschachtelten Flure und Gänge auszeichnet. Der Mann (Dario Argento) ist nach wie vor als Filmjournalist aktiv, versinkt regelrecht in Kinoplakaten, hat eine Affäre und verfasst momentan ein Buch über die Verbindung zwischen Filmen und Träumen. Die Frau (Francoise Lebrun) war früher einmal Therapeutin, inzwischen aber steuert sie ziel- und rastlos durch das Leben – und ist zudem an Alzheimer erkrankt. Ständig vergisst sie, wo sie ist und was sie gerade noch tun wollte. Der Mann und die Frau haben sich zwar ein Leben geteilt, doch jetzt müssen sie nach und nach feststellen, dass sie für sich allein sterben werden.

Dario Argento, Françoise Lebrun, Alex Lutz © Wild Bunch Distribution

Gaspar Noé, der Agent Provocateur des französischen Kinos, erkundet in “Vortex” überraschend ungewohntes Terrain. Statt juveniles Partyvolk im Sex-, Gewalt- und Drogenrausch – wie etwa 2018 in “Climax” – betrachtet er diesmal ein Ehepaar am Ende seines Lebens. Auch sie sind, wie so oft bei Noé, in einer potentiell tödlichen Abwärtsspirale gefangen. Vieles erinnert dabei an Michael Hanekes Drama “Liebe”. Denn das Leben des greisen Paares und ihres einzigen Kindes wird durch eine Demenzerkrankung auf den Kopf stellt.

Das Drama Vortex feierte beim Filmfestival von Cannes 2021 seine Premiere. Regisseur Gaspar Noé entschied sich dazu, die Situation seines gezeigten Paares im Split-Screen, also mit einem zweigeteilten Bild, darzustellen. So konnten die Zuschauenden immer beiden Hauptfiguren folgen, zugleich aber auch beobachten, wie sie immer wieder auch (räumlich und geistig) auseinanderdrifteten.

Vortex entstand, weil Gaspar Noé einen Film über ältere Menschen drehen wollte. An seinen Großeltern und seiner Mutter hatte er beobachtet, dass das Altern sehr komplexe Fragen nach dem Überleben und damit auch eine gewisse Überwältigung mit sich brachte. Zugleich stellte er einer Person, die langsam ihren Geist und Sprachgebrauch verlor, aber auch ein junges Enkelkind gegenüber, das gerade erst dabei war, das Menschsein, also Sprechen und Denken, zu erlernen.

 

Titel: Vortex (2021)
Startdatum:
FSK: 12
Regie: Gaspar Noé
Darsteller:
Francoise Lebrun
Dario Argento
Alex Lutz
Kylian Dheret
Genre: Drama

- ANZEIGE -