Am Ende ist zu wenig Tag
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
www.kreativ-schreibstudio.de
Amelie Flow: Am Ende ist zu wenig Tag
Die Autorin berichtet über den Verlauf der Krankheit ihres Ehemannes und wie diese den Alltag der Familie in Etappen veränderte. Die Jahrzehnte davor fasst Flow (Pseudonym) auf wenigen Seiten in einer wilden Sammlung von Schlaglichtern zusammen, die wie Erinnerungsstützen in einem Kalender wirken. Der Leser gewinnt ein recht oberflächliches, skizzenhaftes Bild dieser Zeit und Beziehung. Das Paar bekam drei Kinder. Über dem beruflichen Stress des Hauptverdieners ging die Zweisamkeit teilweise verloren. Vieles wurde auf die Rentnerzeit verschoben, wo Verpasstes nachgeholt werden soll.
Doch sein Verhalten verändert sich schleichend. Er hat auf einmal keine Lust mehr auf Reisen, auf Feiern, wird immer schweigsamer. Unerklärlicherweise stürzt er immer wieder. Die Diagnose kann das ganze Drama nicht erfassen. Niemand erklärt, was genau zu erwarten ist und schon gar nicht, wie einer damit umgeht.
Die Autorin krempelt die Ärmel hoch und kämpft um Informationen und gegen Behandlungen, die Signale des Kranken nicht berücksichtigen. Sie wächst gezwungenermaßen, weitgehend unvorbereitet, in die Rolle einer Pflegerin hinein und wehrt sich dagegen, Ihren Mann, der doch so stark war, als hilfsbedürftig zu betrachten. Sie will ihn weder bevormunden, noch zwischenmenschliche Grenzen überschreiten. Aber wie teuer ist Intensivpflege? Schonungslos betrachtet sie die Möglichkeiten von osteuropäischen Pflegekräften, staatlicher Versorgung, die Ärzteauskünfte und Vorschriften.
Der Text wird vor allem Menschen in ähnlichen Lebenslagen ansprechen, denn es kann entlasten von dem Schamgefühl, in solchen Extremsituationen auch an eigene Wünsche zu denken. Wo ist Energie zu schöpfen, wenn man das Gefühl hat, das eigene Leben bleibe auf der Strecke und ehemals gute Freunde wegbrechen? Es berührt zutiefst, wie vorbildlich diese Familie zusammenhält und sogar die Liebe zwischen den Eheleuten noch Raum bekommt, als Kommunikation fast unmöglich geworden ist.
Das Buch zählt zu den Ratgebern und ist deshalb nicht mit literarischen Maßstäben zu messen, auch wenn die Kapitel mit einfühlsamen Gedichten eingeleitet werden. Der Verlag hat nicht professionell lektoriert. Der Stil ist durchgängig abgehackt, atemlos, gewöhnungsbedürftig. Er verdeutlicht jedoch den ungeheuren Druck, der auf der Autorin lastete, der gewissermaßen alles Überflüssige wegpresst. Die guten Jahre und später Momente in einem flüssigeren, ruhigeren Stil auszuformulieren, hätte den Kontrast verstärkt und ein differenzierteres Bild der Akteure ermöglicht.
Der Name Amelie Flow ist ein Pseudonym. Die Autorin wurde als viertes Kind in Berlin in eine Großfamilie hineingeboren. Dort wuchs sie phantasievoll und kreativ in Freiheit auf. Seit 1981 lebt sie mit Mann und drei Kindern in NRW. Die Kreativität hat sie bis zum heutigen Tag nicht verlassen. Es finden sich unter ihren selbstgeschriebenen Texten Gedichte und Prosa-Texte, die veröffentlicht wurden. Ihre humorvolle Seite konnte sie des Öfteren auf verschiedenen Kabarettbühnen ausleben. Das Schreiben half ihr in den vier Jahren der schweren Erkrankung ihres Mannes bis zu dessen Tod.
978-3-347-10154-8 (ISBN)
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
+49 40 28484250
support@tredition.com
Schreibe einen Kommentar