China macht sich breit in Afrika. Die USA sind aufgeschreckt und verstärken ihre Bemühungen. Wir schauen nach Ghana, Tansania und Sambia.

Die Rede von US-Vizepräsidentin Kamala Harris im Jubilee House in Ghana

Ungewöhnlich voll war im Frühjahr 2023 der Himmel über der ghanaischen Hauptstadt Accra mit Maschinen hochrangiger ausländischer Staatsgäste. Nicht nur landete im Februar ein Airbus der deutschen Luftwaffe, sondern es ließen sich auch über mehrere Wochen im März die Flüge von Transportflugzeugen der amerikanischen Air Force beobachten. Black-Hawk- und Chinook-Helikopter kreisten in der Nähe des Flughafens, sicherten die Gegend und sorgten für Logistik. Großer Aufwand wurde betrieben, um wichtige Besuche einzuleiten. Es lässt sich kaum ein anderer Moment in der Geschichte der ghanaischen Außenbeziehungen finden, in dem so viele Repräsentantinnen und Repräsentanten westlicher Staaten in so kurzer Zeit das Land besuchten. Im Februar kamen zunächst der deutsche Finanzminister Christian Lindner, dann Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Arbeitsminister Hubertus Heil in gemeinsamer Mission nach Ghana. Den bisherigen diplomatischen Höhepunkt des Jahres bildete allerdings der Besuch der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, im März. Vor dem Hintergrund des kürzlich in Washington stattgefundenen US-African Leaders Summit hat Harris unmissverständlich betont, dass die derzeitige US-Regierung „all in on Africa“ sei, und sie hat eine Reihe an Maßnahmen angekündigt, von denen auch Accra profitieren werde. Was genau steckt aber dahinter?

Zwar blicken die Länder auf eine lange Geschichte der Zusammenarbeit und menschlicher Beziehungen zurück – so kamen aus dem Gebiet des heutigen Ghana, das unter wechselnder Kolonialherrschaft stand, viele der Sklaven, die auf Plantagen in den USA und der Karibik zur Arbeit gezwungen wurden. Die Beziehung der Diaspora zum Herkunftsland ihrer Vorfahren ist stark und wurde noch weiter intensiviert, als die ghanaische Regierung im Rahmen der 2019 ins Leben gerufenen Year of Return-Initiative an den Beginn der Sklaverei vor 400 Jahren erinnerte und die Diaspora dazu animieren wollte, Ghana zu besuchen und in das Land zu investieren. Dennoch lässt sich sagen, dass das Interesse der USA an Afrika allgemein und an Ghana im Besonderen von einem aktuell größeren Kontext aus betrachtet werden sollte.

Die jüngste Charmeoffensive Amerikas wird primär auf die zentrale Bedeutung Chinas und die zunehmenden Aktivitäten Russlands in Afrika zurückgeführt – beides scheint westliche Länder zu neuen Ansätzen der Zusammenarbeit mit Afrika zu zwingen. Darüber hinaus sind auch Fragen rund um Sicherheit und Ausbreitung von Terrorismus in Westafrika zentral auf der US-Agenda, wofür Harris bei ihrem jüngsten Besuch 100 Millionen  US-Dollar an Unterstützung angekündigt hatte. In Ländern wie Ghana wird dieses neue amerikanische Interesse zwar begrüßt, aber entscheidend wird sein, inwieweit man als kleines Land innerhalb der neuen geopolitischen Konstellation eigenständige Politik betreiben kann und seine wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen respektiert sehen wird. Sich für eine Seite entscheiden zu müssen, will Ghana unter allen Umständen vermeiden.

Ghana benötigt aktuell die Unterstützung sowohl Chinas als auch der USA.

Das Land benötigt aktuell die Unterstützung sowohl Chinas als auch der USA. Es steckt tief in einer wirtschaftlichen Krise fest. Die Inflation liegt derzeit bei über 50 Prozent und die Landeswährung, der Cedi, hat innerhalb eines Jahres massiv gegenüber dem US-Dollar an Wert verloren. Um einen Hilfskredit des IWF zu sichern, muss sich Accra mit seinen externen Gläubigern auf Schuldenschnitte einigen. China spielt hierbei eine zentrale Rolle: Ghana schuldet dem Land 1,7 Milliarden  US-Dollar. Das Reich der Mitte weigert sich zwar nicht, in Restrukturierungsgespräche mit Ghana einzutreten, macht das Ergebnis dieser allerdings davon abhängig, ob auch multilaterale Geberorganisationen wie die Weltbank Bereitschaft zeigen, selbst hair cuts einzugehen, also Verluste zu erleiden (was diese bislang ablehnen).

Hier könnte der US-Besuch Abhilfe leisten. Vizepräsidentin Harris betonte, dass sich die USA bei den Geberländern des Paris Club dafür einsetzen werden, dass Ghana nicht länger hängengelassen wird und der IWF-Kredit gewährt werden kann. Ob es dazu tatsächlich kommen wird, könnte auch ein Indikator dafür sein, inwieweit das neue amerikanische Interesse an Afrika tatsächlich ernst gemeint oder nur Aktionismus ist.

So wie viele andere Länder in Afrika auch, befindet sich Ghana in einer komplexen geopolitischen Situation. Diese richtig zu navigieren ist schwierig, aber nicht unmöglich. Hierfür ist es wichtig, dass das Land in die eigenen strategischen und diplomatischen Kapazitäten investiert und in Afrika verlässliche Allianzen bildet, die es angesichts der stark asymmetrischen Beziehungen zu den beiden Polen USA und China unterstützen könnten. Dann wird für westliche Repräsentantinnen und Repräsentanten auch in Zukunft kein Weg an Accra vorbeiführen.

Johann Ivanov, FES Accra

Tansania

Am 29. und 30. März 2023 richtete Präsident Biden unter anderem mit der Regierung von Sambia den zweiten (virtuellen) „Gipfel für Demokratie“ aus. Zeitgleich, am 30. März, traf sich US-Vizepräsidentin Kamala Harris mit der tansanischen Präsidentin Samia Suluhu Hassan, derzeit das einzige weibliche Staatsoberhaupt in Afrika, in Dar es Salaam. Die Beziehungen der beiden Länder verbesserten sich zuletzt – nachdem die Regierungsführung des vorherigen, verstorbenen Präsidenten John Magufuli bei Tansanias internationalen Partnern extremes Unbehagen ausgelöst hatte. Samia Suluhu Hassan setzt seit ihrer Amtsübernahme im März 2021 auf einen Reformkurs, der auch internationale Partnerschaften wiederaufleben ließ und erneuerte. 

Kurz nachdem Samia Suluhu Hassan das Verbot politischer Versammlungen im Januar 2023 aufgehoben hatte – eine Forderung der Oppositionsparteien –, war der Besuch ein wichtiges Zeichen, sich auf die Seite der Reformerin zu stellen. Kamala Harris bezeichnete die Präsidentin als „Vorkämpferin der Demokratie“. Auch wenn Kritikerinnen und Kritiker sagen, diesen Ruf müsse Samia Suluhu Hassan sich erst noch erarbeiten (denn allein für die Wiederöffnung des politischen Raums war keine Gesetzesänderung notwendig), muss anerkannt werden, dass Samia Suluhu Hassan in den vergangenen zwei Jahren viel getan hat für die allgemeine Förderung einer breiteren und offeneren politischen Kultur, die letztlich die Demokratie unterstützen kann. Dass viele Schritte in punkto demokratischer Öffentlichkeit zaghaft sind, zeigt sich daran, dass am Ende der Pressekonferenz von Samia Suluhu Hassan und Kamala Harris keine Fragen zugelassen wurden, was in journalistischen Kreisen für Irritation sorgte. Harris’ Besuch kann daher hohe Symbolkraft für den anvisierten Wiedereintritt Tansanias in die globale Open Government Partnership entwickeln. Das Land zog sich 2017 aus der Initiative zurück. Wichtig ist, den Reformkurs zu bestärken, zumal unklar ist, ob Hardliner in der Regierungspartei mehr Änderungen akzeptieren werden. Dabei wird auch das Management der kommunalen (2024) sowie der Präsidentschaftswahlen (2025) – und die Einhaltung demokratischer Normen hierbei – entscheidend sein. Sie könnten den fragilen Fortschritten einen neuen demokratischen Impuls geben.

Die USA haben hierfür zum einen Instrumente und zum anderen 560 Millionen  US-Dollar an Hilfe für Tansania zugesagt, von denen ein Teil die demokratische Reformagenda unterstützten wird. Dennoch bleibt, wie übrigens auch beim Gipfel für Demokratie, offen: Wie werden Fortschritte bei Verpflichtungen nachgehalten – und wie wird gehandelt, wenn es keine gibt?

Die USA wissen Tansania vor allem als Ort des Friedens und der Stabilität zu schätzen.

Die USA wissen Tansania vor allem als Ort des Friedens und der Stabilität zu schätzen. 1998 kamen bei einem Terroranschlag von al-Qaida auf die Botschaft der Vereinigten Staaten in Dar es Salaam elf Menschen ums Leben. Terrorismusbekämpfung und globale Sicherheit stehen seither im Blickwinkel. Die zuletzt im Januar 2023 für die kommenden Jahre vereinbarte sicherheitspolitische Zusammenarbeit ist allerdings nur ein Pfeiler der bilateralen Beziehungen und sicher kein Alleinstellungsmerkmal. Auf Einladung von Präsident Xi Jinping war Samia Suluhu Hassan im November 2022 auf Staatsbesuch in China, wo sie übereinkamen, die Zusammenarbeit in den Bereichen Frieden und Sicherheit weiter zu verstärken und bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität zusammenzuarbeiten. Und auch dass – nach den 2022 bereits mit China vereinbarten Investitionen in 5G zur Beschleunigung der digitalen Wirtschaft und für Verbesserungen der Online-Sicherheit – nun mit den USA ebenfalls eine Partnerschaft für 5G- und Netz- und Informationssicherheit eingegangen wurde, sollte weder als inkohärent noch als Doppelung gelesen werden. Tansania sieht sich in der internationalen Zusammenarbeit traditionell frei von jeglichen formellen Bündnissen mit einem der großen Machtblöcke. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer antiwestlichen Haltung. Es bedeutet einfach, dass es Tansania vorrangig auf die tatsächlichen Interessen und eigenen strategischen Leitplanken ankommt. Die Außenpolitik der tansanischen Regierung bringt klar zum Ausdruck, dass Wirtschaftsreformen und ausländische Investitionen, unter anderem in Bergbau und seltene Erden für die Energiewende, momentan ausschlaggebend sind. Ein Hauptanliegen der tansanischen Seite war beispielsweise die frühzeitige Verlängerung des African Growth and Opportunity Act-Handelsabkommens (AGOA), das 2023 ausläuft. Die USA scheinen erkannt zu haben, dass der Partner vor allem Geschäfts-, Handels- und Investitionsbeziehungen möchte: Kamala Harris bot daher auch den Ausbau des Handels an und kündigte weiter strategische Investitionen in die Batterie-Nickel-Industrie für den US-amerikanischen und globalen Markt an.

Elisabeth Bollrich, FES Dar es Salaam

Sambia

Es war eine deutliche Warnung, die der sambische Präsident im Vorfeld des Gipfels für Demokratie und vor dem Hintergrund einer ausstehenden Einigung des Landes mit seinen ausländischen Gläubigern veröffentlichte. Hakainde Hichilema schrieb in einem Beitrag bei Bloomberg: „Wir können nicht einfach nachplappern, wie gut die Demokratie für die Bürger ist. Man muss sie spüren. Die Demokratie ist empfindlich. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Schulden sie im Tumult beschädigen.“ Dabei spielt auch die sambische Regierung keinesfalls durchgängig eine positive Rolle beim Ausbau der Demokratie im Land. Die politische Opposition hatte angedroht, gegen den zweiten (digitalen) Gipfel der Demokratie am 29. und 30. März und den unmittelbar darauf folgenden Besuch der US-Vizepräsidentin Kamala Harris zu protestieren und dabei das Thema einer vermeintlich zu großen Toleranz der sambischen Regierung gegenüber LGBTQ-Rechten in den Vordergrund zu stellen. Der Innenminister reagierte mit der Ankündigung, die Proteste nicht zu erlauben. Dabei ging es ihm offensichtlich nicht um die Rechte von Minderheiten, sondern um die Abwehr eines Image-Schadens für die Regierung. Und natürlich widerspricht ein pauschales Demonstrationsverbot demokratischen Grundwerten.

Als Co-Veranstalter des digital abgehaltenen Gipfels für Demokratie 2023 hat Sambia während der Vorbereitung eng mit den USA kooperiert und das Event unteramerikanischer Mitwirkung professionell organisiert. An der Hauptveranstaltung am 30. März, welche für Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen zugänglich war, nahmen sowohl der US-Bildungsminister Miguel Cardona als auch höherrangige sambische Regierungsvertreter teil. Allerdings verließen sie die Veranstaltung gleich nach der Eröffnungsrunde, so dass die folgenden inhaltlichen Diskussionen weitestgehend unter Expertinnen und NGO-Vertretern stattfanden.

Für die sambische Seite war der Gipfel eine willkommene Gelegenheit, die eigenen jüngeren Verdienste um die Demokratie herauszustellen und sich grundsätzlich als demokratische Nation zu verorten.  Der friedliche Regierungswechsel im August 2021 hat die Demokratie in Sambia signifikant gestärkt. Ein zunehmend repressiv agierendes Regime wurde abgewählt, und die neue Regierung macht bisher Vieles richtig, hat aber auch zentrale Reformvorhaben noch nicht umgesetzt.

Für die US-amerikanische Seite stand augenscheinlich im Vordergrund, für die eigene Werte-Botschaft ein geeignetes Sprachrohr auf dem afrikanischen Kontinent in Szene zu setzen. Handfeste wirtschaftliche Interessen der USA sind im eher bevölkerungsarmen Sambia kaum auszumachen. Das Gegenteil kann über die Volksrepublik China gesagt werden, so dass Sambias Demokratie-Bekenntnis als Propaganda-Gegenzug gewertet werden kann. Auch hat die Hichilema-Regierung der Einrichtung eines militärischen Planungsstabs in der US-Botschaft in Lusaka zugestimmt.

Sambia wird somit zum „Schlachtfeld“ der Einflüsse der beiden Großmächte.

Sambia wird somit zum „Schlachtfeld“ der Einflüsse der beiden Großmächte. Vor dem Hintergrund der prekären Verschuldungssituation und der geopolitischen Lage debattiert das Land über sein Verhältnis zu China einerseits und zum westlichen Lager andererseits (ein russischer Einfluss ist aktuell nicht signifikant wahrzunehmen, auch wenn einige politische Akteure aktuell an die unterstützende Rolle der Sowjetunion im anti-kolonialen Kampf Sambias erinnern). Der chinesische Einfluss, besonders in der Wirtschaft und im Bereich Infrastruktur, ist unbestritten und wird weitgehend positiv gesehen. So wurde im Vorfeld des Kamala-Harris-Besuchs gewitzelt, dass die US-Vizepräsidentin an einem von China gebauten Flughafen-Terminal landen und auf einer von China gebauten Straße in ein von China gebautes Konferenzzentrum fahren würde. Hinzu kommt, dass Zugeständnisse der Volksrepublik bei der Bewältigung der Schuldenkrise des Landes extrem wichtig sind.

Klar ist, die sambische Gesellschaft fühlt sich weitestgehend zu einem offenen Modell unter Achtung demokratischer Grundrechte hingezogen und wertet den vergangenen friedlichen Regierungswechsel als wichtigen Meilenstein in ihrer Entwicklung. Allerdings fühlte sich die sambische Regierung dann wieder veranlasst, der offiziellen Abschlusserklärung des Gipfels für Demokratie eine Einschränkung hinzuzufügen. Darin geht es um die Interpretation des Begriffs Inclusion sowie verwandte Begriffe wie Diversity, Gender Equality und Gender Identity. Die Regierung sah sich offensichtlich veranlasst klarzustellen, dass die Begriffe im Kontext der vermeintlichen sambischen Kultur zu verstehen seien und dass etwaige Schritte zur Bekämpfung von Diskriminierung nur im Rahmen bestehender Gesetze erfolgen würden. Und diese Gesetze erkennen nur die Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ an. Die Entwicklung der Demokratie in Sambia wird sich noch auf längere Zeit im Spannungsfeld zwischen Ost und West sowie zwischen vermeintlicher Tradition und bürgerlichen Freiheitsrechten entwickeln.

Fritz Kopsieker, FES Kalundu Lusaka

Johann Ivanov ist Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ghana. Zuvor war er stellvertretender Leiter der FES in Indien.

 

Elisabeth Bollrich leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tansania. Zuvor war sie Koordinatorin des Globalisierungsprojekts im Referat Globale Politik und Entwicklung der Stiftung.

 

Fritz Kopsieker leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sambia. Davor hat er verschiedene Posten für die Stiftung in Afrika, im Südpazifik und in der FES-Zentrale inne gehabt.

 

Quelle: https://www.ipg-journal.de

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