Medizinforschungsgesetz: Ein Meilenstein mit Schwächen
Der Bundestag hat das Medizinforschungsgesetz (MFG) verabschiedet – es ist aus Sicht der Industrie eine der zentralen Säulen für die Umsetzung der Nationalen Pharmastrategie. Damit soll Deutschland als Standort für medizinische Forschung international wieder wettbewerbsfähig werden. Es ist auch ein Versuch, zumindest einen Teil der im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) erlassenen, innovationsfeindlichen Regelungen bei der Bewertung neuer Arzneimittel zu heilen. Die vertraulichen Erstattungspreise für innovative Arzneimittel sind praktisch vom Tisch.

Das war noch einmal ein Gezerre – doch nun ist das Medizinforschungsgesetz tatsächlich vor der Sommerpause durch den Bundestag gekommen. Damit sollen laut Gesetzestext „die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessert werden. Dies stärkt die Attraktivität des Standorts Deutschland im Bereich der medizinischen Forschung, beschleunigt den Zugang zu neuen Therapieoptionen für Patientinnen und Patienten und fördert Wachstum und Beschäftigung.“
Von dem MFG werden Menschen profitieren, die auf moderne Therapien angewiesen sind oder sein werden. „Sie erhalten hierdurch zusätzliche Therapiechancen, und das ärztliche Personal arbeitet sich frühzeitig in die neuesten Therapien ein“, schreibt der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). „Schneller abgeschlossene Studien tragen außerdem zu kürzeren Entwicklungszeiten bei, so dass neue Medikamente früher in die Regelversorgung eingeführt werden können.“
Die Hauptpunkte des MFG:
- Mit der verbindlichen Schaffung von Standardvertragsklauseln (Mustervertragsklauseln) sollen die Prozesse in der medizinischen Forschung deutlich beschleunigt werden – bis zu 120 Tage dauert es hierzulande, bis eine Studie genehmigt ist. Auf einem Symposium von Pharma Fakten auf dem Hauptstadtkongress hatte die Leiterin der politischen Abteilung, Tessa Wolf, gesagt: „Wir haben bei AstraZeneca Studien, da ist Spanien schon fertig und wir in Deutschland haben noch nicht mal angefangen.“
- Die im GKV-FinStG erlassenen sogenannten AMNOG-Leitplanken – von der Branche stark kritisiert – wurden in ihrer Wirkung eingeschränkt. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) schreibt: „Die Preisbegrenzungen bei Arzneimitteln mit einem geringem, nicht quantifizierbaren oder nicht nachgewiesenem Zusatznutzen sollen bei Arzneimitteln ´mit einem relevanten Anteil klinischer Prüfungen in Deutschland` wieder entfallen. Konkret müssen 5 Prozent der Studienteilnehmenden an Prüfstellen im Geltungsbereich des MFG teilnehmen. Die Leitplanken sind der Sündenfall des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG). Die Revision ist daher wichtig. Die AMNOG-Leitplanken sind aber für alle betroffenen AMNOG-Arzneimittel hoch problematisch, da sie Forschungsanreize zerstören.“
- Die Vertraulichkeit der Erstattungspreise ist zwar noch Teil des MFG, faktisch aber ist die Regelung so unattraktiv, dass sie wohl keine Rolle spielen wird. Von Anfang an habe man, so der BPI, „darauf hingewiesen, dass diese nur in Einzelfällen für die pharmazeutische Industrie relevant sind. Denn sie verursachen zusätzliche Kosten.“ Die Regelung, dass auf Arzneimittel mit vertraulichem Preis ein pauschaler Abschlag von 9 Prozent fällig werden soll, dürfte aus einer völlig überdrehten Diskussion nun wohl vollends ein Nischenthema gemacht haben.
MFG: Ein guter Rahmen, zu viel Klein-Klein
Trotz aller Bekenntnisse zu weniger Bürokratie verfällt die Politik mit dem MFG wieder in eines ihrer Grundmuster: Zu kompliziert. „Mit einer Vielzahl an neuen Regulierungen steigt die Komplexität und Deutschland verliert sich in der Kleinteiligkeit. Doch für die pharmazeutische Industrie sind aufgrund der langen Zeiträume von der Forschung/Entwicklung bis zur Zulassung praktikable und stabile Rahmenbedingungen das A und O“, erklärte Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI.
Das zeigt sich vor allem bei den AMNOG-Leitplanken, deren Preisbegrenzungen auf neue Arzneimittel nun entfallen können, wenn das Unternehmen entsprechend forschende Tätigkeit in Deutschland nachweisen kann. Denn nicht nur muss der Unternehmer das in einem Dossier nachweisen, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll das auch kontrollieren. Es entsteht ein Wust an Bürokratie. Außerdem ist die Regelung auf 3 Jahre befristet. Merke: Ein Teil der negativen Folgen des GKV-FinStG werden zwar geheilt, aber zum Preis eines verwaltungstechnischen Mehraufwands und fehlender Planungssicherheit für die Pharmaunternehmen. Die Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland, Dorothee Brakmann, begrüßt das MFG grundsätzlich als einen „Schritt zur Förderung von Innovationen in Deutschland“, die Begrenzung der Änderung der AMNOG-Leitplanken auf 36 Monate sieht sie aber kritisch: „Wir benötigen langfristige Planungssicherheit zur nachhaltigen Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland.“
Auch bleibt der im GKV-FinStG festgelegte pauschale 20-prozentige Rabatt auf Kombinationspräparate (s. Pharma Fakten) weiter Teil der gesetzlichen Realität – und dies, obwohl die Regelung so komplex ist, dass es bis heute nicht gelungen ist, einen einzigen Rabatt dieser Art abzurechnen. Gerade bei komplexen Erkrankungen wie Krebs spielen Kombinationstherapien für den Erfolg einer Behandlung eine entscheidende Rolle – sie mit pauschalen Abschlägen abzustrafen, hat mit dem, was Arzneimittelforschung heute vorantreibt, wenig zu tun.
Union: Das GKV-FinStG korrigieren
Einfacher wäre es daher wohl gewesen, wäre man der Opposition gefolgt. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hatte in ihrem Entschließungsantrag unter anderem gefordert, „die im GKV-FinStG eingefügten sog. ´Leitplanken` und Kombinationsabschläge zurückzunehmen“ und das AMNOG-System mit seiner Zusatznutzenbewertung „so fortzuentwickeln, dass auch neuartige Therapien und Arzneimittel besser verfügbar und erstattungsfähig sind.“
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