Anja Jonuleit: Das letzte Bild
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Die Autorin hat einen seit 1970 ungeklärten Kriminalfall aus Norwegen zum Aufhänger ihrer fiktiven Geschichte gemacht. Die Ermittlungen bezüglich der verbrannten Frauenleiche ergeben ein sehr verwirrendes Bild um das Verhalten dieser Frau, die ihre Identität scheinbar ohne Grund wie ein Chamäleon mehrfach änderte. Jonuleit erfindet die möglichen Hintergründe, die all die Spuren logisch verknüpfen und erklären könnten.
Wie sorgfältig sie vorgeht, ist aus dem Anhang zu erkennen, in dem sie den Wahrheitsgehalt geordnet aufschlüsselt, aber auch aus kleinen Clips über die Recherchearbeit, die sie ins Netz gestellt hat. Stilistisch wechselt sie zwischen der Perspektive der Toten und ihrem Vorleben und derjenigen ihrer möglichen Nichte. Diese ist Autorin, die das Schicksal aufklären möchte und dabei zunächst Barrieren in der eigenen Familie überwinden muss. Aufgrund der Zwillingsähnlichkeit des Phantombildes und einer DNA-Analyse ist schnell klar, dass die Tote die während des Krieges als Kleinkind verschollene Tante ist. Weder die Zwillingsschwester noch deren Mutter versuchen das Kind zu finden, alles, was mit der Vergangenheit zu tun hat, wird totgeschwiegen. Das verschwundene Mädchen ist lebenslang besessen auf der Suche nach ihren Angehörigen. Um das nötige Geld dafür zu verdienen, prostituiert sie sich als Escortbegleiterin.
Die Zwillinge wuchsen ohne mütterlicher Fürsorge an den Arbeitsplätzen der Mutter auf, die Ärztin in deutschen, belgischen, französischen und skandinavischen Lebensbornheimen war. Die Spurensuche gestaltet sich schwierig, denn die lokale Bevölkerung hat das Wissen um diese Heime unter den Teppich gekehrt, die mit den Nazis kollaborierenden Menschen diskriminiert und eine nähere Untersuchung der Details ist unerwünscht. Jonuleit nutzt, in Norwegen herumreisend, alle erreichbaren Unterlagen, beleuchtet offenkundige Falschaussagen. gräbt Fotos aus, interviewt Zeitzeugen und Sexpartner der Verstorbenen.
Der Leser kann ihre Gedankengänge nachvollziehen und die Schlussfolgerungen erscheinen folgerichtig. Keine Seite dieses Romans ist langweilig oder überflüssig. Spannung pur von Anfang bis Ende.
Anja Jonuleit wurde in Bonn geboren. Sie arbeitete als Übersetzerin und Dolmetscherin, bis sie anfing, Romane und Geschichten zu schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Friedrichshafen.
dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
5. Auflage
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