Karine Lambert: Und jetzt lass uns tanzen
Rezension von Dr. Aide Rehbaum

Der zweite Roman der belgischen Autorin, die deutlich jünger ist als ihre Protagonisten, dreht sich um eine Liebesgeschichte im Seniorenalter.
Marguerite (78) wird Witwe des Notars Henri. Sie hat auf Sparflamme gelebt, denn vom ersten Tag ihrer Ehe an hat ihr Mann die Regeln festgelegt. Nie hat sie etwas in Frage gestellt oder auch nur aus vollem Herzen gelacht. Nicht mal ihren Namen hat er ihr gelassen. „Kein Blick, keine liebevollen Worte, aber auch kein Missklang. – Nun hat sie die Fernbedienung für sich allein, kommt aber mit den Tasten nicht zurecht“- ein treffendes Bild. Sie fühlt sich verloren, so ungewohnt ist es, Entscheidungen zu treffen. Ihr Sohn Frédéric tritt in die Fußstapfen seines Vaters und will ihr Leben weiter gängeln. Sie erwacht sieben Monate nach der Beerdigung aus einer Erstarrung.
Marcel (73), ehemaliger Tierpfleger im Zoo, hat eine sehr liebevolle Ehe hinter sich, die elf Monate zuvor durch einen Unfall endete. Seine Frau erlitt einen Herzinfarkt beim Schwimmen und ist ertrunken, während er ein Scrabble-Tournier besuchte. Er will nun nicht die Tochter als Ersatz für die Ehefrau und irrt verloren durch die Stadt.
Beide landen widerwillig zur Kur in den Pyrenäen. Die Beschreibung des Aufenthalts ist gelungen, die vielen Alten rundum gehen ihnen genauso auf die Nerven wie der fremdverplante Tag. Vorsichtig entspinnt sich eine Beziehung. Die Autorin entwickelt nur sparsam die Handlung, die Gefühle sind nachvollziehbar, aber Dramatik und echte Spannung fehlen. Etwaige Konflikte mit den jeweiligen Kindern versickern.
Die körperliche Annäherung ist dezent angedeutet. „Was im Bett geschah, war (in ihrer Ehe) nur dem Namen nach ein Liebesspiel. – Marcel öffnete das unsichtbare Korsett, das sie all die Jahre getragen hat.“ Die beiden ziehen zusammen.
Der Geschichte fehlen zwar die echten Highlights, dennoch mag dem einen und anderen Leser, der in ähnlicher Lage, im selben Alter ist und die leisen Töne bevorzugt, die Geschichte zu Herzen gehen, aber nicht gleich den Blutdruck entgleisen lassen. Die rechte Lektüre fürs Sanatorium.
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Gebundenes Buch mit Schutzumschlag ISBN: 978-3-453-29191-1