Heimatwurst in Düsseldorf (Teil 4)
Von Michael Stallkamp

Ganz Düsseldorf ist im rot weißen Fußballfieber. Die Menschen genießen, dass die Fortuna nach fünf Jahren der Zweitklassigkeit wieder frisch im Fußballoberhaus dabei ist. Vor dem Spiel gegen Schalke 04 vibriert die Düsseldorfer Altstadt geradezu beim gemeinsamen friedlichen „Vorglühen“ der Fans. Der Weg zum Stadion wird zu einer eindrucksvollen „Prozession“ in herrlicher Herbstsonne, die immer wieder an den „Bieraltären“ der auf dem Weg liegenden Trinkhallen und Kneipen unterbrochen wird. Die Stadt feiert sich stolz und erwartungsfroh selbst. Genau wie die „Toten Hosen“ es in ihrem Song „An Tagen wie diesen“ beschreiben. Allerdings gibt es auch tiefe (und wie das Endergebnis zeigt, auch berechtigte) Zweifel an der Stärke der eigenen Mannschaft und eine große Skepsis, ob die Fortuna die Klasse halten kann oder doch wieder zur Fahrstuhlmannschaft wird. Vielleicht werden deshalb die Erinnerungen an die glorreiche Fußballvergangenheit des Vereins und den letzten großen Titel, DFB-Pokalsieger 1980 im Endspiel gegen den 1. FC Köln, immer wieder hervorgeholt.
Das mit 52.000 Zuschauern ausverkaufte Stadion ist wild entschlossen zu feiern, unabhängig vom Ergebnis des Spiels. Es herrscht eine grandiose Stimmung. Die Arena hat steile Ränge, ihre Tribünen sind rundherum vollkommen geschlossen, und sie kann in kurzer Zeit durch ein bewegliches Dach in eine Halle verwandelt werden. Aber auch bei geöffnetem Dach ist die Atmosphäre energiegeladen und mitreißend.
Zur überall spürbaren Erinnerungsseligkeit passt eine sehr nostalgische Choreografie der Fankurve vor dem Anpfiff. Die Liebe zum Verein als Herz der Stadt und die große Vergangenheit werden aufwändig symbolisiert. Selbst die Stadionwurst wird vom Hersteller gefühlsduselig beworben: „Meine Heimat, meine Wurst.“ Das ist ansteckend nostalgisch, zumal ich das Glück hatte, von meinem Freund Hans auf einer Vespa zum Stadion kutschiert zu werden. Sentimental erinnere ich mich an vergangene große emotionale Stadionerlebnisse.
Leider wird das heimatliche Bratwurstversprechen in äußerst seltsamer Weise eingelöst. Die kurze, dicke, sehr helle und eher weiche Wurst ist kaum gewürzt. Die Geschmacksnerven schreien nach ergänzenden Senf- oder Ketchuparomen. Es gibt zu wenige Verkaufsstellen mit viel zu wenig Personal. Um dennoch nach halbwegs akzeptabler Wartezeit möglichst viele Kunden bedienen zu können, sind die Bratwürste in großen Mengen auf Vorrat gebraten. Sämtliche Testwürste hatten wegen längeren Herumliegens nun eine harte äußere Brathülle, teilweise auch noch schwarz verschmort. Die zugehörigen Brötchen changieren unentschlossen zwischen stellenweise kross und dann doch überwiegend pappig. Ein insgesamt sehr lieblos gestaltetes Produkt, dass ich für 3,20 Euro Bargeld offeriert bekomme. Hier werden positive Assoziationen zur Heimat eindeutig missbraucht.
Im Stadion gibt es auch Lachsbrötchen zu kaufen. Wird diesen in Düsseldorf eventuell mehr Aufmerksamkeit zuteil? Aber oberflächliche Vorurteile gehören nicht hier her.
Fazit: Großes Kino mit ernüchternder Bratwurstqualität. In der Bratwursttabelle landet Düsseldorf ganz knapp vor Dortmund damit auf dem bisher vorletzten Platz. Also auch in der Bratwurstliga abstiegsgefährdet.
Wer erinnert sich eigentlich noch an die aus der Fortuna hervorgegangenen Nationalspieler: Paul Janes, Toni Turek, Matthias Mauritz und die tragische Gestalt des WM-Spiels Deutschland – Schweden 1958 in Göteborg, Erich Juskowiak?
Wird fortgesetzt