Straße im Stadtzentrum von Londonderry ©seppspiegl

Derry, offiziell Londonderry ist die zweitgrößte Stadt in Nordirland und die fünftgrößte Stadt auf der Insel Irland. Der Name Derry ist eine Anglisierung des altirischen Namens Daire und bedeutet “Eichenhain”. Die alte Stadtmauer liegt am Westufer des Flusses Foyle, der von zwei Straßenbrücken und einer Fußgängerbrücke überspannt wird. Die Stadt erstreckt sich heute über beide Ufer (Cityside im Westen und Waterside im Osten).

Der vom Derry City und Strabane District Council verwaltete Bezirk umfasst sowohl den Hafen von Londonderry als auch den Flughafen der Stadt Derry. Derry liegt nahe der Grenze zur Grafschaft Donegal, mit der die Stadt seit vielen Jahrhunderten eng verbunden ist. Saint Colmcille der traditionell als Gründer des ursprünglichen Derry gilt, ist ein heiliger Mann aus Tír Chonaill.

St. Colmcille, auch bekannt als St. Columba, ist neben St. Patrick und St. Brigid einer der drei Schutzheiligen Irlands. Columba ist die lateinische Version von Colmcille, seinem irischen Namen, der “Taube der Kirche” bedeutet. 521 n. Chr. in dem kleinen Dorf Gartan geboren, stammte er von königlichem Blut ab und hatte denselben hohen Rang wie der König von Irland. Als Junge wurde Columba zu dem Priester geschickt, von dem er getauft worden war. Nachdem er die Klosterschule in Moville besucht hatte, zog er um, um bei dem christlichen Barden Gemman zu leben und zu studieren, und während dieser Zeit erwachte seine Liebe zu Disziplin, Poesie und Wissen zum Leben. Er trat in das Kloster Clonard Abbey in der Grafschaft Meath ein, wo er Mönch wurde und 546 zum Priester geweiht wurde. Noch im selben Jahr soll er sein erstes Kloster in Derry auf einem Gelände gegründet haben, das ihm von einem örtlichen König zur Verfügung gestellt wurde. Doire Calgach wurde ihm zu Ehren in Daire Coluimb Chille oder “Oak Wood of Colmcille” umbenannt.
Es wird angenommen, dass er gesagt hat: “Die Engel Gottes sangen auf den Lichtungen von Doire, und jedes Blatt trug einen Engel in sich.” Die von ihm gegründete Abtei in Derry blieb jahrhundertelang das dominierende religiöse und politische Zentrum der Region.
Heute steht die St. Columba’s Long Tower Church an der Stelle dieser ursprünglichen Siedlung.

Wandgemälde zur Erinnerung an den Blutsonntag ©seppspiegl

Das kulturelle Zentrum im Norden der Grünen Insel war über viele Jahrzehnte ein Symbol des Widerstands. Schon die Nennung des Stadtnamens galt als politische Aussage. Die katholischen Republikaner und Nationalisten nennen die Stadt, die auf eine Klostergründung des heiligen St. Columba im 6. Jahrhundert zurückgeht, konsequent „Derry“. Für die protestantischen Royalisten heißt sie Londonderry. Lange galt die Metropole am Foyle als ein Zentrum der politischen Unruhen in Nordirland, das seit dem 17. Jahrhundert unter britischer Herrschaft steht. 1608 war Derry von den Engländern erobert worden. Die protestantischen Engländer, die nun hier angesiedelt wurden, tauften die Stadt kurzerhand um. In den kommenden Jahrzehnten versuchten die Katholiken immer wieder vergeblich, die Stadt zurück zu erobern.

Wandgemälde zur Erinnerung an den Blutsonntag ©seppspiegl

Vom 7. Dezember 1688 bis 12. August 1689 belagerte die Armee von James II. die Stadt. Angestachelt von den glühenden Predigten des Reverend George Walker trotzten die Bewohner für 105 Tage erfolgreich den Jakobitern, bis der Gouverneur von Londonderry, Robert Lundy, angesichts der aussichtslos scheinenden Lage, zur Übergabe der Stadt bereit war. Doch 13 Lehrlinge, die so genannten Apprentice Boys, verriegelten kurz entschlossen die Stadttore mit den Worten “No surrender”. Diese Aktion brachte Londonderry den Ruf als Maiden City, als eiserne Stadt, ein und wurde für die Protestanten zum Symbol der siegreichen Auseinandersetzung mit den Katholiken.

Im 19. Jahrhundert etablierte sich in Londonderry eine florierende Baumwoll- und Leinenindustrie. Die überwiegend katholischen Arbeiter und deren Familien wurden in der so genannten Bogside (Bog = Moor), einem Moorgebiet vor den Toren der Stadt angesiedelt. „Das war quasi eine Zweiklassengesellschaft. Hier lebten die Ärmsten der Armen und auf der anderen Seite der Stadtmauer die Reichen“.

Das Museum of Free Derry ist ein Museum in Nordirland, das sich auf die Bürgerrechtsära der 1960er Jahre konzentriert, bekannt als The Troubles und die irische nationalistische Bewegung Free Derry in den frühen 1970er Jahren. ©seppspiegl

Durch die Unabhängigkeit der Republik Irland und der daraus resultierenden Teilung der Grünen Insel wurde Londonderry 1921 quasi über Nacht zur Grenzstadt. Die Absatzmärkte im Hinterland brachen weg. Die einsetzende Rezession traf insbesondere die ohnehin finanziell nicht auf Rosen gebetteten Arbeiter hart und lieferte zusätzlich zu der historischen Entwicklung Zündstoff für die immer größer werdenden Spannungen und handfesten Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken. 1969 errichteten die Bewohner der Bogside Barrikaden um ihr Viertel und erklärten es zum “Free Derry”, zum freien Derry. Als trauriger Höhepunkt der “Troubles” gilt der 30. Januar 1972. An jenem Sonntag, der als “Bloody Sunday” Eingang in die Geschichtsbücher finden sollte, erschossen bei einer friedlichen Demonstration britische Fallschirmjäger 13 unbewaffnete Katholiken. Ein folgenschweres Ereignis, das Straßenschlachten und Bombenanschläge in ganz Nordirland zur Folge hatte und die IRA zu neuem Leben erweckte. Viele, viele Tote, unzählige Schießereien und Bombenattentate, aber auch Hausdurchsuchungen und eine Welle von Verhaftungen brachten fortan Londonderry eine traurige Berühmtheit.

Blick in die Waterloo Street ©seppspiegl

Immer wieder wurden die proklamierten Waffenruhen gebrochen. Gewalt, Angst und Hass dominierten nun den Alltag am River Foyle. Eine traurige Entwicklung, die seit 1998 glücklicherweise der Vergangenheit angehört. Denn nach langwierigen und zähen Verhandlungen konnte in den Ostertagen jenes Jahres das so genannte „Karfreitagsabkommen“, das eine dauerhafte Deeskalation, die Entwaffnung aller Terrororganisationen in Nordirland sowie eine weitgehende Selbstbestimmung des Landes beinhaltet, unterzeichnet werden. Zwar blieben auch danach ab und an leichte Spannungen nicht aus, doch inzwischen ist in Nordirland und im einstigen Unruheherd Londonderry der Frieden eingekehrt. Und mit ihm finden nun mehr und mehr Touristen den Weg nach Ulster und speziell nach Londonderry.

Sepp Spiegl

 

 

Schon über Irland erschien:

1.) Dark Hedges: https://www.rantlos.de/lebensart/the-dark-hedges.html

2.) Giant’s Causeway  –  https://www.rantlos.de/lebensart/damm-des-riesen.html

 

 

 

 

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