Timothy Spall © capelight pictures OHG

“Der Engländer…” ist ein tragikomisches Roadmovie über einen alten Mann, dem auf seiner langen Reise mit dem Bus viele Menschen begegnen. Der Film ist von Melancholie und tiefster Menschlichkeit geprägt.

Tom (Timothy Spall) ist ein Rentner, dessen Frau Mary (Phyllis Logan) gerade verstorben ist. Er reist mit seinem kostenlosen Buspass vom nördlichsten Punkt Großbritanniens, John O’Groats, zu seinem ursprünglichen Heimatort am südlichsten Punkt, Land’s End. Er trägt nur einen kleinen Koffer bei sich und reist damit quer durch das Land. Unterwegs werden seine Abenteuer von den Menschen, die er trifft und denen er hilft, aufgezeichnet, und am Ende seiner Reise ist er ungewollt eine Berühmtheit in den sozialen Medien geworden.

Timothy Spall © capelight pictures OHG

Überall trifft Tom auf Menschen, die entweder ihm helfen, ihn zum Beispiel bei sich übernachten lassen, oder denen er hilft. Wie die Muslima im Ganzkörperschleier, die im Bus aufs übelste sexistisch und rassistisch beschimpft wird, und der Tom im wahrsten Sonne des Wortes beisteht. Durch seine Zivilcourage solidarisiert sich der ganze Bus gegen den Aggressor. Der junge Mann, nicht die junge Frau, muss den Bus verlassen. Einer von vielen bewegenden Momenten, die dieser unspektakuläre, von Melancholie und tiefster Menschlichkeit geprägte Film zu bieten hat. Tom überwindet zumindest streckenweise die eigene zunehmende Gebrechlichkeit und andere Hindernisse, die ihn von seinem Weg abbringen könnten.

Timothy Spall, der selbst bei den Dreharbeiten 2019 erst 62 war, spielt das hohe Alter phänomenal. Die Beschwerlichkeit jeder Bewegung, das Ringen des eisernen Willens mit der Hinfälligkeit des Körpers, der Kampf gegen allgegenwärtige Schmerzen – all das spiegelt sich noch in den feinsten Zuckungen der Mundwinkel. Aber auch die kleinen Freuden zeichnen sich in Gesicht und Körper ab: ein Leuchten der Augen, eine kurze Entspannung, ein Moment des Einverständnisses mit dem unabänderlichen Schicksal der Gebrechlichkeit. Es ist ein Zustand des Dazwischen: noch im Hier und Jetzt, aber immer zugleich im Land der Erinnerung, der Träume und Flashbacks. Gerade in den Rückblenden zu dem jungen Paar (gespielt von Natalie Mitson und Ben Ewing) zeigt sich das treffsichere Feingefühl des schottischen Regisseurs Gillies MacKinnon (Jahrgang 1948). Er taucht sie in ein verklärendes, leicht märchenhaftes Licht, das keineswegs kitschig wirkt, sondern sich wie ein tröstlicher Filter über die Härten des hohen Alters legt.

Auch der leise Humor, den Drehbuchautor Joe Ainsworth (Jahrgang 1964) seinem Protagonisten gönnt, schafft Kontrapunkte zu der herzergreifenden, auch schmerzlichen Elegie über die letzten Stationen des Lebens. Doch leider legt der deutsche Verleihtitel eine völlig falsche Fährte. Mit dem Slapstick und den Witzen von Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand (2014) hat die tragikomische Betrachtung des Films, der im Original The Last Bus heißt, nichts gemein. Natürlich spricht Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr vorwiegend die älteren Semester des Arthouse-Publikums an. Aber er biedert sich ihnen keineswegs in der Weise an, die der deutsche Titel befürchten lässt.

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