18 Prozent der Frauen und fast 10 Prozent der Männer über 60 Jahre leiden unter Arthrose – jeder vierte davon ist dadurch bei alltäglichen Aktivitäten deutlich eingeschränkt. Und obwohl Arthrose damit zu den großen Volkskrankheiten zählt, gibt es bislang kein Medikament, das die Struktur der geschädigten Gelenke verbessern könnte. Doch das soll sich bald ändern.

Prof. Frank Roemer ©Boonchai

„Osteoarthritis, auch Arthrose genannt, ist bis heute eine unheilbare Krankheit“, sagt Prof. Frank Roemer, Radiologe am Institut für diagnostische Radiologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU), „man bekämpft die Symptome mit Schmerzmitteln und setzt im Endstadium ein künstliches Gelenk ein – aber es gibt nur wenig medikamentöse Ansätze und kein zugelassenes Medikament, um die Krankheit zu stoppen oder gar zu heilen.“ Ein Projekt der europäischen Innovative-Medicines-Initiative (IMI) will nun die Grundlagen dafür schaffen, dass forschende Arzneimittelhersteller sich effizienter auf die Suche nach wirksamen Arthrose-Medikamenten machen können. Insgesamt beteiligen sich 25 Partner an APPROACH (Applied public-private research enabling osteoarthritis clinical headway), darunter klinische Zentren, Institute zur Grundlagenforschung sowie drei große Pharma-Unternehmen – darunter Servier, AbbVie und GlaxosmithKline.

Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Ursachen, die zu Arthrose führen können – als mögliche Auslöser gelten Schädigungen des Knochens, der Knorpel, der Bänder oder anderer Gelenkstrukturen wie etwa der Menisken im Knie. „Bei APPROACH geht es zunächst darum, zu verstehen, was genau hinter dieser Krankheit steckt. Wir wollen ihre unterschiedlichen Phänotypen beschreiben, ihre unterschiedlichen strukturellen Manifestationen“, so Frank Roemer, „ein solcher Phänotyp kann sich etwa durch eine Entzündung manifestieren, durch Knochenveränderungen oder durch biomechanische Probleme.“ Aus diesem Grund sind bei APPROACH Experten aus verschiedenen Fachdisziplinen mit von der Partie.

Viele Komponenten, eine Frage

An der FAU beschäftigten sich zwei Experten zu bildgebenden Verfahren mit Arthrose und ihren Ausprägungen: Frank Roemer befasst sich mit der Analyse von Bilddatensätzen, die im Kernspintomographen entstanden sind, sein Kollege Prof. Klaus Engelke vom Institut für medizinische Physik nimmt Computer-Tomographie-Auswertungen zu Veränderungen in der Knochenstruktur vor. Aber wieso Knochenstrukturen, wenn es doch eigentlich um Knorpelveränderungen geht? „Die Osteoarthrose hat viele Komponenten“, erklärt Klaus Engelke, „und hinter allen steht die Frage: Wie kommt es eigentlich letztlich zur Zerstörung des Gelenkes und wie kann man dies vielleicht aufhalten? Der Knorpel bildet die Gelenkoberfläche, die eng mit dem darunterliegenden Knochen verbunden ist. Deshalb müssen wir uns auch ansehen, wie sich dessen Struktur verändert – es kann ja durchaus sein, dass spezielle Phänotypen der Arthrose zuerst durch Veränderungen des Knochens unter dem Knorpel ausgelöst werden.“

An APPROACH beteiligen sich noch zahlreiche weitere Wissenschaftler aus ganz Europa – einige suchen nach Biomarkern im Blutserum von Arthrose-Patienten, andere analysieren das Knorpel-Gewebe. Insgesamt nutzten die Forscher in der ersten Stufe von APPROACH die biomedizinischen Daten von mehr als 10.000 Patienten, die in verschiedene Arthrose-Studien in den USA, Frankreich, Spanien, Norwegen und den Niederlanden eingeschlossen waren. Das Projekt konzentriert sich dabei auf Knie-Arthrose, eine der häufigsten Osteoarthritis-Formen.

Die nächste Phase hat begonnen

Aus diesen 10.000 Patienten wurden nun Patienten charakterisiert, die einen schnelleren Krankheitsverlauf aufwiesen. Patienten mit ähnlichen Merkmalen im Krankheitsverlauf bilden nun eine neue Studienkohorte an vier verschiedenen europäischen Zentren – insgesamt werden dort 300 Patienten hinsichtlich Schmerzen, Mobilität, Knorpel- und Knochenerkrankungen sowie Entzündungen untersucht. „Es wird Nachuntersuchungen nach 6, 12, und 24 Monaten geben“, sagt Frank Roemer, „und wir werden dann die unterschiedlichen Phänotypen der Arthrose besser verstehen und einordnen können.“ Am Ende wird es eine integrierte Bioinformatik-Plattform geben, in der alle wichtigen Daten gespeichert werden, angefangen von Biomarkern bis hin zu den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren. Im Idealfall können dann klare Untergruppen der Arthrose definiert werden.

Wie schafft man es eigentlich, die Ergebnisse der 25 beteiligten Forschungspartner unter einen Hut zu bringen? Klaus Engelke dazu: „Es gibt jährliche Treffen, an denen alle teilnehmen und ihre Ergebnisse vorstellen und koordinieren. Daneben kommunizieren diverse Untergruppen, meist über Telefonkonferenzen oder per Mail. Außerdem haben wir für jeden größeren Bereich zwei bis drei Leute, die alles koordinieren.“ Viele Ergebnisse würden auch auf medizinischen Konferenzen präsentiert, auf denen sich die beteiligten Experten ohnehin regelmäßig treffen.

Das Besondere an APPROACH ist für Frank Roemer nicht nur die Tatsache, dass dadurch endlich die Entwicklung individueller Arthrose-Medikamente auf den Weg gebracht wird: „Sondern es ist auch das erste Mal, dass eine große, multinationale Studie zur Arthrose in Europa stattfindet.“ Bisher habe es multizentrische Kohortenstudien zur Arthrose nur in den USA gegeben. Roemer weiter: „Es ist als großer Erfolg zu werten, dass diese EU-Studie, bei der universitäre Partner mit Forschern aus der Pharma-Industrie eng zusammenarbeiten, zustande gekommen und so erfolgreich gestartet ist. Es läuft, und das ist sehr positiv und motivierend für alle Beteiligten.“

APPROACH ist auf insgesamt fünfeinhalb Jahre angelegt und soll Ende 2020 abgeschlossen sein.

Quelle: https://www.pharma-fakten.de/news/details/637-arthrose-der-lange-weg-zum-ersten-medikament/

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