Anne Chaplet, In tiefen Schluchten
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
Wer noch nie in den Cevennen gewesen ist, bekommt eine anschauliche Vorstellung durch den zweiten Roman der Sachbuchautorin Anne Chaplet alias Cora Stephan.
Hauptfigur ist eine Deutsche, Viktoria Godon, die gerade Witwe geworden ist. Das Juristen-Ehepaar hatte sich ein Haus gekauft, obwohl der Mann mit einem Hirntumor nur noch überschaubare Lebenszeit vor sich hatte. Seine Vorfahren wurden als Hugenotten im 18. Jahrhundert aus der Gegend vertrieben. Die geplante Familienforschung setzt nun seine Witwe fort. Damit wirbelt die Ausländerin viel Staub auf und rührt an verdrängte Schuldgefühle mehrerer Einheimischer.
Die Geschichtsebenen vermischen sich, als ein holländischer Hobbyhöhlenforscher verschwindet, der im Auftrag seines Großvaters ebenfalls Spurensuche nach dessen Jugendgeliebter betreibt. Die Protagonisten sorgen sich genauso wenig um den Verbleib des Hobbyforschers wie der Leser, den eine Identifikation wird nicht hervorgerufen.
Der Roman changiert zwischen Liebesgeschichte, Historiengemälde, Mystery und Krimi. Keine dieser Richtungen berührt aber so richtig. Es wird geschildert oder Personen belehren einander, aber der Leser kann das Geschehen nicht miterleben. Die solide Recherche verrät die Journalistin, sowohl was die archäologischen Höhlen Südfrankreichs und ihre Entdeckung, die Geschichte der Hugenottenverfolgung und die deutsche Besatzungszeit betrifft. Die für einen Historiker spannende Vergangenheit bleibt für den Leser oberflächliches Beiwerk.
Mysteriöses wird angedeutet aber nicht recht aufgelöst. Am Ende rettet ein Hund auch noch seine Besitzerin aus Lebensgefahr und das Buch möglicherweise den einen oder anderen Regentag. Eine schlaflose Nacht bereitet es eher nicht.
Anne Chaplet ist das Pseudonym von Cora Stephan, unter dem sie zehn zum Teil preisgekrönte Kriminalromane veröffentlicht hat. Cora Stephan ist seit mehr als dreißig Jahren freie Autorin und schreibt Essays, Kritiken und Sachbücher.